58 Aus Stadt und Land eine Kanaltrasse zur Verfügung, weil das Gebiet zum Kurfürstentum Mainz gehörte. Damit stand Landgraf Karl lediglich die Wasserscheide auf gut 16 km Länge zwischen Dodenhausen im Norden und Speckswinkel im Süden zur Verfügung. In diesem schmalen Korridor musste eine Kanaltrasse gefunden werden. 1710 wurde ein konkreter Plan verfasst, der bereits im Titel genaue Angaben darüber macht, wo der Kanal die Rhein-Weser-Wasserscheide überwinden sollte: „Project wie die Navigation von Caßell auff Treyß und so fort auff der Wier hinauff über den sogenannten Gerwigshagen den Plockskisten-Grundt nachher Hattsbach hinunter auff der Wohr über Kirchhayen auff der Ohm und dem Lahnfluß hin auff Marburg und so weiter; Sodann auch von Caßell auf Sieburg füglich ein zurichten und also der Rhein mit dem Wässerstrom communicable zu machen sey. Ao. 1710“. Die Planung sah also vor, dass der Schifffahrtsweg von Kassel über die Fulda, die Eder und die Schwalm zur Wiera führt. Die Wiera selbst sollte von ihrer Mündung in die Schwalm bei Treysa als Kanal ausgebaut werden. Um die zum Kurfürstentum Mainz gehörenden Ortschaften Neustadt und Momberg zu umgehen, sollte der Kanal die Wiera westlich des gleichnamigen Dorfes verlassen und dem Verlauf des Baches Hardwasser vorbei an Momberg und Mengsberg folgen. Westlich von Mengsberg sollte der Kanal das Hardwasser verlassen und wäre dann dem Lochgrundbach westlich bis an dessen Quelle „Glockenborn“ in der Nähe der Wasserscheide bei der Wüstung Gerwigshain gefolgt. Von hier hätte der Kanal vom Glockenborn nach Süden ins Quellgebiet des Hatzbaches und dessen Bachlauf folgend Richtung dem Dorf Hatzbach geführt werden sollen. Dazu wäre der Kanal dem Verlauf des Hatzbaches bis zu dessen Mündung in die Wohra bei Ernsthausen gefolgt. Die Wohra selbst galt schon als schiffbar. Der Schifffahrtsweg sollte dann weiter über die Ohm und Lahn zum Rhein führen. Eine alternative Route sah vor, den Kanal von der Wasserscheide über den Josbach zur Wohra zu führen. Auf dieser Route stand aber erheblich weniger Wasser zur Verfügung, denn das Einzugsgebiet des Hatzbachs ist mit 32,47 qkm mehr als fünfmal größer als der des Josbachs mit nur 6,14 qkm. Heute würde man den Projektplan von 1710 als Machbarkeitsstudie bezeichnen. Der Autor hat den Bau der Wasserstraße von Kassel nach Marburg für realisierbar gehalten. Nach dem Projektplan von 1710 sollte neben dem eigentlichen Rhein-Weser-Kanal ein zweiter Kanal von Kassel zur Umgehung des Mündener Stapelrechts und Schifffahrtsprivilegs auf der unteren Fulda von Karlshafen an der Weser zur Fulda bei Kassel gebaut werden. An diesem Abschnitt des Wasserweges von der Weser zum Rhein wurde bereits ab 1713 von dem damals noch Sieburg genannten Bad Karlshafen aus gebaut. Dazu wurde zunächst bis 1717 die Diemel bis Stammen schiffbar gemacht. Bei Stammen wurde eine Schleuse zur Einfahrt in das 1723 fertiggestellte, ca. 4 km lange Kanalstück von Stammen nach Hümme gebaut. Von Karlshafen bis Hümme verkehrte dann in den Jahren 1723–1727 regelmäßig ein Schiff. Durch zeitgenössische Berichte und Zeichnungen ist überliefert, wie diese Schiffe, die auf der Diemel und dem Kanal verkehrten, aussahen. Sie waren den niedrigen Wasserständen und den Hindernissen in der Diemel angepasst und deshalb kleiner als die Weserschiffe. Vorbild für diese Schiffe war das Weserschiff „Bulle“, ein Schiff von schwerfälliger Konstruktion in Pontonform ohne Kiel. Die Bordwände waren nahezu senkrecht gesetzt, Bug und Heck Aus Stadt und Land
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