54 Zweigvereine Ziegenhain immer wieder Ausbrüche gegeben. Spektakulär war sicher die Flucht von 500 französischen Gefangenen aus der Festung Ziegenhain im Jahre 1793. Sie konnten sich zum Teil bis in die Wetterau durchschlagen. Skurril ist die Überlassung von im Stockhaus verstorbenen Gefangenen an ein „theatro anatomico“ in Marburg. Das war die öffentliche Sezierung von Leichen. Für Treysa interessant ist der Hinweis auf zwei Gefängnisse: eines im Steinturm beim Steintor und eines „auf dem Burggässer Tor“. Besonders wertvoll sind die Quellen und Karten, die Hans Merle zur Baugeschichte zusammengetragen hat. Sie dokumentieren die Entwicklung vom „turris“ um 1040 bis zum Schloss mit Renthof von 1840. Reste des turris (Turms) wurden 1944 bei Ausgrabungen hinter der Stadtkirche im Renthof entdeckt. Es war ein Rundturm mit einem Radius von 22 Metern aus der romanischen Zeit, der aber vor 1600 bereits verschwunden war. Den 2. Band mit dem Jahr 1840 beginnen zu lassen, macht Sinn, denn 1842 wurde im Alten Schloss ein Zwangsarbeitshaus für Männer eingerichtet. Nach der Annexion Kurhessens durch Preußen 1866 wurde das preußische Strafgesetzbuch eingeführt, die Zwangsarbeit abgeschafft, ebenso die „Eisenstrafe“ und die Ketten, und die Einrichtung hieß nun „Strafanstalt in Ziegenhain“. In der kurhessischen Zeit war das Arbeitshaus in Ziegenhain die größte Anstalt gewesen, vor Kassel, Marburg und Fulda. 1859 waren hier 835 Gefangene untergebracht, die von 20 Beamten beaufsichtigt und verwaltet wurden. Die meisten saßen wegen Betteln und Landstreicherei sowie wegen Diebstahl ein. Ihre Beschäftigung erfolgte in der Regel in der Landwirtschaft, wobei sie den Pfl ug selbst ziehen mussten. A u f s c h l ü s s e über das „Betriebsklima“ in der Anstalt gibt eine Zusammenstellung der Verhaltensmaßregeln von 1849, die den Insassen jeden Sonntag vorgelesen werden musste. Anfänglich wurden die im Arbeitshaus Verstorbenen in die Anatomie nach Marburg überführt. Die Revolution von 1848 fand insofern einen Widerhall in Ziegenhain, als es den Plan einzelner Gefangener gab, die Herausgabe der Zivilkleidung und des Lohns zu verlangen und die Entlassung nach Hause. Bernd Lindenthal, HNA/Schwälmer Allgemeine, 24.11.2020 menstellung
vorherige Seite  -  zurück  -  nächste Seite
 
 
vorherige Seite  -  zurück  -  nächste Seite