Der Leitaufsatz zum Umschlagbild 5
Die Außenpolitik Karls pflegte fortan die
Verbindung mit den glaubensverwandten protestantischen
Hauptmächten Brandenburg-
Preußen, England-Hannover und den niederländischen
Generalstaaten unter dem Hause
Nassau-Oranien. Politisch-diplomatisch wurde
Landgraf Karl die treibende Kraft aller
Bündnisse deutscher Fürsten untereinander
und mit dem Kaiser zur Abwehr der französischen
Ansprüche auf die Rheingrenze. Um
hier eine verlässliche Rolle spielen zu können,
bemühte sich der Landgraf, in den Kreis der
„armierten Reichsstände“, wie man die Staaten
mit stehendem Heer nannte, aufzusteigen.
Nur so konnte sich Hessen-Kassel aus
der machtlosen Abhängigkeit von stärkeren
Mächten befreien. Landgraf Karl machte das
stehende Heer zur Grundlage der Außenpolitik
Hessen-Kassels. Er begründete die Armee,
die wegen ihrer Tüchtigkeit in ganz Europa
geschätzt war und ihn zum begehrten Bündnispartner
machte. Das stehende Heer hat die
Landgrafschaft bis zum Ende des 18. Jahrhunderts
zu einer politischen Rolle befähigt,
die weit über die wirkliche Größe und Bedeutung
des Landes hinausging. Da dieses mit seiner
geringen Wirtschaftskraft die Kosten für
eine größere Armee nicht aufbringen konnte,
wurde eine solche in Hessen – schon 1630 –
durch die „Subsidien“ (Militär-Hilfsgelder) der
Bündnispartner finanziert. Die Bündnisverträge
waren umso günstiger, je höher die Subsidien
ausgehandelt wurden, die in der Regel
über den tatsächlichen Gestellungskosten lagen.
Erst zu Ende des 18. Jahrhunderts geriet
diese von vielen europäischen Staaten geübte
Praxis als „Soldatenhandel“ in Verruf. Das
von Karl geschaffene starke militärische Instrument
hat sich, des Öfteren von ihm persönlich,
später von seinen Söhnen geführt, in
den Kriegen Ludwigs XIV. gegen das Reich, in
den Türkenkriegen sowie in den großen europäischen
Auseinandersetzungen des Nordischen
Krieges und des Spanischen Erbfolgekrieges
hervorragend bewährt.
Politischer Ehrgeiz bestimmte die Heiratsund
Familienpolitik des Landgrafen Karl. Bei
den Verhandlungen zu geplanten Eheverbindungen
war der Kontakt eng und bei den erfolgreich
gelungenen Ehen oft von langer
Dauer. Die geknüpften Verbindungen waren
begleitet von künstlerischem und wissenschaftlichem
Austausch, der Kassel mit
führenden Kulturzentren in Europa verband:
Paris, Den Haag, London, Kopenhagen,
Stockholm, St. Petersburg, Berlin, Dresden
u. a. Besonders fruchtbar waren die Kontakte
zu Künstlern und Wissenschaftlern an den
Höfen der Verwandten in Berlin und Potsdam
(in der Ausstellung: Arbeiten des Bildhauers
Bartholomäus
Eggers für Kassel, der
hessischen Glaskünstler Gondelach/Gundlach
in Potsdam, Bernstein-, Elfenbein-Künstler)
oder in Dresden (Entwürfe des dortigen Baumeisters
Johann Friedrich Karcher für Kassel).
Wenn auch der protestantische Heiratskreis
das hessische Fürstenhaus deutlich
vom katholischen Europa abgrenzte, so hat
doch das künstlerische Interesse und die Toleranz
des Landgrafen vielfältige Beziehungen
zum katholischen Europa gepflegt: herausragende
Beispiele bietet die Italienreise
des Landgrafen Karl 1699/1700, die den italienischen
Barock nach Kassel brachte. Die
Ausstellung und die sie begleitenden Aufsätze
zeigen, dass diese Reise Karls vielfältige
sehr nachhaltige Beziehungen Italiens zu
Kassel knüpfte, die bisher unbekannt waren
und mit bedeutenden Objekten belegt werden
(Kunstkäufe, Künstlerengagements). Die
Herkulesanlage ist die größte italienische Barockarchitektur
nördlich der Alpen. Ein Heer
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