22 Kurzbiographien
und steht für die Finanz- und Wirtschaftsgeschichte
des Vereins. Dabei stand und stehen
ihm sein privates Archiv und sein unglaubliches
Gedächtnis zu Verfügung.“
Zu diesem Zeitpunkt, so Lasch, bestand die
Vereinsbuchhaltung aus einem 16spaltigen
amerikanischen Journal. Darin wurden die
verschiedenen Geschäftsvorfälle erfasst, und
auch diejenigen Mitglieder, die sich bei dem
Schatzmeister Degenhardt ihre ZHG abgeholt
und dabei den Jahresbeitrag von 10,– DM entrichtet
hatten.
„Und die anderen Mitglieder?“ so meine
Frage. „Waren Mitglieder, aber hatten mehrere
Jahre keine Beitragszahlungen an den
VHG geleistet, damit haben wir aufgeräumt“,
sprach’s und nahm einen tiefen Schluck aus
der Kaffeetasse, es dauert dann auch nur einen
kurzen Moment und das Examen geht
weiter: „Wissen Sie eigentlich, was der Kaffee
den Wirt kosten darf, damit er genügend Rendite
erwirtschaftet?“ „Keine Ahnung“. Es folgt
ein typisches Bonmot: „Das ist es eben, was
den Geisteswissenschaftlern Probleme bereitet,
die fehlenden Kenntnisse aus Wirtschaft,
Finanzen und Verwaltung.“ Mir fällt das Wort
von Niklot Klüßendorf ein, „Historiker und Finanzen“,
aber schon geht es weiter mit einer
Dauerfeststellung: „Der Verein war damals öfter
am Rande einer Pleite, seine Rettung bestand
in den für heutige Verhältnisse großzügigen
Unterstützungen des Landes Hessen
und auch der Stadt Kassel. Die Mittel von
fünf bis sechs Sponsoren kamen hinzu. Eine
erkennbare Stabilisierung der Finanzsituation
des VHG zeichnete sich Mitte der sechziger
Jahre ab. Zwei Doppelbände 1964/65 und
1966/67, restriktive Erfassung der Mitglieder
und die Beitreibung von bis zu drei rückständigen
Jahresbeiträgen, entsprechend der Gesetzeslage.“
Wieder folgt ein Bombardement von Namen,
Daten, Fakten und Hintergründen und
ich suche die Stelle, um einhaken zu können
und reiche den Tortenteller. „Aber jetzt sind
wir doch auf dem Weg der Besserung, schließlich
haben wir die Beiträge erhöht.“ Ein mitleidsvoller
Blick über den Rand des Weinglases
und ein lange gezogenes „Jooohhh, nach
19 Jahren weniger als eine Packung Zigaretten
(4,– EUR) für ein ganzes Jahr. Um wieviel
Prozent wurden eigentlich in diesem Zeitraum
die Pensionen und Renten gesenkt. Die Materialkosten
und Löhne für die ZHG sind jedenfalls
gestiegen.“
Die Linke ruht auf einer Wirtschaftszeitung,
mit der rechten Hand geht der Griff zur
Wurstplatte und da diesmal keine Unterrichtung
über die Kupferpreise erfolgt, kommt die
Frage „Was gibt es neues in den Zweigvereinen?“
Wir fangen bei Biedenkopf an, schlagen
den Bogen über das alte Kurfürstentum,
bieten Marburg trotz aller vergangenen Widrigkeiten
einen breiten Raum und landen
schließlich bei Gelnhausen. Unterwegs erfahre
ich alles über Vorstände und Vereinsgeschichte,
lerne, was nach Alheimer kommt, was die
eigentliche Bedeutung von M. A. ist, dass wir
auf Faxgeräte nicht verzichten können, wo
die wirklichen und vermeintlichen Gefahren
lauern, wo der Papierpreis steht usw. Kleinste
Gegenfragen werden mit einem Aktenberg
beantwortet, alles belegt und dokumentiert.
Wobei das eine oder andere Blatt unübersehbar
vom „Dienstsiegel“ (dem Kaffeefleck) geziert
wird. Besondere Aufmerksamkeit wird
denen zuteil, die sich mit Dr. Lasch im gleichen
Alter befinden. Da stellt er ungehört die
Frage: „Kann der noch?“
Er jedenfalls geht jeden Morgen, wenn er
nicht gleich von zu Hause auf Tour geht,
noch in sein Unternehmen, manchmal auch
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