Verkehrswegebaus sowie der Kultur- und Denkmalpflege im damaligen Regierungsbezirk Kassel. Da die Entschlüsse der Abgeordneten durch eine eigene Bezirkskommunalverwaltung umgesetzt werden sollten, bestand schon bald Raumbedarf über das Parlamentsgebäude hinaus. Der neue Verwaltungstrakt für zunächst 200 Beamte entstand in den Jahren 1904-06. Der Lichthof, in dem wir jetzt stehen, ist Teil dieses Anbaus, der sich harmonisch mit dem älteren Ständehaus verband.
Zum einschneidenden Bruch mit der inzwischen fast 100-jährigen parlamentarischen Tradition im Ständehaus kam es allerdings im Jahre 1933 mit dem Einsetzen der 12-jährigen nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. Der Kommunallandtag tagte zum letzten Mal am 12. März 1933. Es begann eine Zeit ohne parlamentarische Debatten, in der die Kommunalverwaltung überdies direkt dem Oberpräsidenten der Provinz Hessen-Nassau unterstellt, d. h. verstaatlicht war. Verwiesen sei hier nur auf zwei der schrecklichsten Verbrechen in dieser Zeit: Nämlich auf die Einsperrung, zum Teil auch Ermordung von Menschen - politische Gegner des Regimes, jüdische Mitbürger und so genannte Zwangsarbeiter - in der bei Guxhagen gelegenen Landarmen- und Korrektionsanstalt Breitenau und vor allem auf den verbrecherischen Krankenmord in den hessischen Heil- und Pflegeanstalten, besonders in Hadamar, bei dem schätzungsweise 20.000 Pfleglinge den Tod fanden.
Am 22. Oktober 1943 traf der alliierte Bombenangriff auf Kassel auch das Ständehaus, beschädigt wurde überwiegend jedoch nur das Dach und die Wandgestaltung des Ständehaussaales. Dieser Raum wurde nach 1945 im modernen Stil wiederhergestellt, und zwar nach Plänen des Kasseler Documenta-Gründers Arnold Bode. Im Jahre 1952 war der Parlamentssaal wiederhergerichtet, aber es bestand noch kein neues Kommunalparlament. Erst durch den Entschluss des Hessischen Landtags zur Gründung eines gesamthessischen Landeswohlfahrtsverbandes und mit dem Inkrafttreten des Mittelstufengesetzes im Jahre 1953 konnten noch in demselben Jahr nach 20-jähriger Unterbrechung erstmals wieder demokratisch gewählte Abgeordnete in den Ständesaal einziehen. Entsprechend der neuen Aufgabenbestimmung dieses zweiten hessischen Kommunalverbandes steht nun bereits seit über 50 Jahren vor allem soziales Engagement im Zentrum parlamentarischen Bemühens. Dass es dem LWV-Parlament in allen Jahrzehnten gelang, wichtige sozialpolitische Reformen in Hessen zu ermöglichen, davon zeugt nicht zuletzt die schon seit den 1950er Jahren für die Verbandsversammlung gebräuchliche Bezeichnung „hessisches Sozialparlament“.
Schon im Vorfeld des 170-jährigen Geburtstages des Ständehauses im kommenden Jahr ist im Ständehaus eine vom Archiv des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen zusammengestellte kleine Ausstellung zu sehen. Im Zentrum der Präsentation steht das hölzerne Ständehausmodell aus der Bauphase 1834/35, das nach Entwürfen von Julius Eugen Ruhl wahrscheinlich von dem Kasseler Modellbauer Johann Friedrich Blaue (1794-1857) gezimmert wurde. Das Modell ist eine Leihgabe des Kasseler Landesmuseum, wo es bis jetzt leider zumeist im Depot stehen muss. Weiterhin sind in einer Glasvitrine u. a. Baupläne, Landtagsprotokolle, historische Stiche und Fotografien dieses einst inmitten von Gärten und an der zum Promenieren einladenden Friedrich-Wilhelm-Straße gelegenen traditionsreichen Gebäudes zu sehen, das einst einen Hauch Italiens nach Nordhessen brachte.

Christina Vanja

Kontakt:
Priv.-Doz. Dr. Christina Vanja, Funktionsbereich “Archiv, Gedenkstätten, Historische Sammlungen“ des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen, Ständeplatz 6-10, 34117 Kassel, Tel. 0561/1004-2277, e-mail: kontakt-archiv@lwv-hessen.de

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