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Dieses westfälische Loblied auf das eigene Seminar faßt das federführende Provinzial-Schulkollegium in Kassel richtig als Absage an eine Vereinigung mit dem hessischen auf. In seinem Antwortschreiben vom 15.08.1905 beruft es sich darauf, daß auch das hiesige Vorsteheramt der Israeliten sich schwerlich dazu verstehen wird, seine alte Stiftung vom Jahre 1825 mit der Lehrerbildungsanstalt zu Münster verschmelzen zu lassen, zumal das israelitische Lehrerseminar auf einer gesetzlichen Grundlage ruht. Mit dem Hinweis darauf, daß auch in Kassel neben dem Hebräischen die französische Sprache gelehrt werde, fühlt sich das Provinzial-Schulkollegium zur Verteidigung seines Seminars aufgerufen, das in seiner Organisation und in seinen Leistungen zwar unvollkommen ist, aber vielleicht nicht den Vorwurf der Minderwertigkeit gegenüber dem jüdischen Lehrerseminar zu Münster verdient.

Aufgrund dieser Sachlage verzichtet das Ministerium auf jegliche Fusion oder Aufhebung eines der Seminare, fordert jedoch, daß die äußeren Verhältnisse der Anstalt und der Unterrichtsbetrieb in einer berechtigten Anforderungen entsprechenden Weise geordnet werden. Der letzte Versuch, das Kasseler Seminar in eine große Lehrerbildungsanstalt zu integrieren, ist gescheitert, weniger am staatlichen Willen als vielmehr an der durch religiöse Spannungen verursachten Eigenbrötelei der Israeliten.

Nach dem Scheitern der Pläne einer provinzübergreifenden israelitischen Lehrerbildung bleibt nur übrig, das Kasseler Seminar in einer den Anforderungen des Herrn Ministers entsprechenden Weise zu organisieren,1 und das bedeutet, daß es sich den staatlichen Seminaren anzupassen hat. Das Vorsteheramt erklärt sich am 28.08.1905 bereit, notwendige Auflagen zu erfüllen, bittet aber darum zu beachten, daß das Seminar 80 Jahre bestanden und Lehrer ausgebildet habe, deren Schulen nach Berichten der Kreisschulinspektoren durchaus nicht hinter den christlichen nachstehen und zuweilen dieselben übertreffen. Das Provinzial-Schulkollegium begrüßt das Entgegenkommen des Vorsteheramtes und weist ihren Referenten an, dem Dirigenten und dem Vorsteheramt jederzeit mit seinem Rate zur Seite zu stehen. Da dem Minister binnen Jahresfrist berichtet werden müsse, liege es im Interesse der Anstalt, das Werk der Reform thunliehst zu beschleunigen.

Es muß enthalten:

     - eine zweckentsprechende Organisation der Übungsschule, eine geordnete Präparandenbildung, drei getrennt geführte Seminarklassen,

     - die Anpassung an die neuen Lehrpläne.

Damit ist das Aufgabenfeld für die nächsten Jahre abgesteckt.

Die Schule ist nach wie vor ein Sorgenkind. Noch 1898 weist der Prov. Schulrat Dr. Otto den Oberpräsidenten darauf hin, daß von 31 Knaben und Mädchen 18 aus dem Waisenhaus kommen, die nur aufgrund eines Privatabkommens zwischen Vorsteheramt und Kuratorium des Waisenhauses die Schule besuchen. Tritt eine der beiden Parteien von diesem Abkommen zurück, so verschwinden die 18 Waisenkinder aus der israelitischen öffentlichen Gemeindeschule. Ebenso leicht aber können die anderen 13 Kinder verschwinden. Es besuchen im ganzen 37 Kinder armer israelitischer Eltern die hiesigen

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1 StAM, Best. 152, Pr.-Sch. Nr. 2151. Ebd. alle folgenden Zitate.

 

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