..

16

wohlorganisierten siebenklassigen städtischen Knaben- und Mädchenschulen. Sobald die Eltern der 13 Kinder auf den Gedanken kommen, daß ihre Kinder in den wohlorganisierten städtischen Schulen besser aufgehoben sind, wird die Schule ohne Schüler, also ausgestorben sein.

Aber der Schulrat irrte sich. Etwa seit der Jahrhundertwende wächst die Schülerzahl erheblich an, so daß 1907 schon 57 Kinder in zwei Klassen unterrichtet werden. Die Gründe liegen darin, daß in das Waisenhaus neuerdings nicht nur Kinder des Regierungsbezirks, sondern aus ganz Deutschland Aufnahme finden,1 und zusätzlich der Schule auch Kinder zugeführt werden, die aus fremdsprachlichen Gebieten (Galizien und Rußland) stammen. Aber obwohl fremdsprachliche und Kinder verschiedener deutscher Mundarten den Unterricht erschweren, beurteilt der Stadtschulrat Bornmann die Schule mit im ganzen genügend.

Dem Provinzial-Schulkollegium sind trotzdem die Verhältnisse noch zu unsicher. Die Existenz der Schule hängt immer noch an einem privaten Übereinkommen zwischen Vorsteheramt und Waisenhaus, das jederzeit gelöst werden kann. Zur Sicherung des Bestandes der Seminarübungsschule verlangt es einen formellen Vertrag zwischen dem Kuratorium des Waisenhauses und dem Vorsteheramt. Er wird am 26. März 1907 abgeschlossen. Das Kuratorium verpflichtet sich, die Zöglinge des Waisenhauses in der Übungsschule unterrichten zu lassen, und das Vorsteheramt sorgt dafür, daß die Schule den Charakter einer öffentlichen Volksschule oder einer ihr gleichstehenden Schule behält.2 Der Schulbesuch ist kostenlos, der Waisenhausvater wird, sofern er die Qualifikation besitzt, an der Schule unterrichten und vom Vorsteheramt bezahlt werden. Der Vertrag gilt bis zum 1. April 1917, sofern nicht unabsehbare Ereignisse eine frühere Kündigung erzwingen. In diesem Punkt kann das Provinzial-Schulkollegium feststellen, daß die praktische Ausbildung der Seminaristen nach Maßgabe der Bestimmungen gewährleistet ist.

Aber diese Maßnahme bedeutet nur eine formale Absicherung. Unverändert bleibt, daß das Provinzial-Schulkollegium gar keinen Einfluß auf die Schule selbst hat, weder auf die Lehrpläne noch auf die Lehrer. Sie untersteht, obwohl Übungsschule, in fachlicher Hinsicht der Aufsicht der Regierung und verwaltungsmäßig dem Vorsteheramt, das sich dazu des Schulvorstandes bedient, der die eigentliche Schulleitung ausübt. Auch der Seminardirigent verfügt über keinerlei Befugnisse und gehört nicht einmal dem Schulvorstand an. In dieser komplizierten Verwaltungsstruktur sieht das Provinzial-Schulkollegium ein Hemmnis, das eine umfassende Aufsicht über die israelitische Lehrerbildung verhindert. Zwei Behörden reißen Zusammengehöriges auseinander; dem Provinzial-Schulkollegium muß es alleine zustehen, die Anstellung der Lehrpersonen und den Etat zu genehmigen.3 Es erwartet eine Willenserklärung daß die Elementarschule ihm unterstellt wird. Das Vorsteheramt, das sich 1868 vehement gegen die Trennung von Seminar und Schule ausgesprochen hatte, antwortet am 26.02.1907, jetzt aus guten Gründen sehr vorsichtig. Inzwischen ist nämlich in Preußen ein Schulunterhaltungsgesetz verab- [verabschiedet]

__________

1 StAM, Best. 166 b. Regierung zu Cassel, Nr. 3893. Ebd. alle folgenden Zitate.

2 StAM, Best. 152, Pr.-Sch. Nr. 2147. Ebd. alle folgenden Zitate.

3 StAM, Best. 152, Prov.-Sch. Nr. 2151.

 

..