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probeweise neben Salomon Leviseur eingestellt worden, so daß das Seminar wieder zwei ordentliche Lehrer hat. Aber 1867 tritt Leviseur in den Ruhestand, ohne ersetzt zu werden. Stein wird zwar zum Seminardirigenten ernannt, aber er bleibt zwanzig Jahre allein. Dr. Jakob Stein ist 30 Jahre der Spiritus rector der Israelitischen Schul- und Schllehrer-Bildungsanstalt. Daß es mit ihm einen Lehrer vom Format Moses Büdingers berufen hatte, konnte das Vorsteheramt freilich nicht ahnen, hegte es doch erhebliche Zweifel daran, ob er genügend Kenntnisse im Hebräischen und Rabbinischen besitzt.1 Auch eine Überprüfung durch den Landesrabbiner hatte nicht eindeutig ergeben, ob der Geprüfte im Stande seyn werde, den Zöglingen der Schullehrerbildungsanstalt den betreffenden Unterricht alsbald mit dem gewünschten Erfolge ertheilen zu können. Aber sein Charakter und seine bisherige Tätigkeit hätten erkennen lassen, daß er durch sorgsame Vorbereitung . . . und durch fleißiges Selbststudium sich in den Stand setzen werde, den an ihn gestellt werdenden Anforderungen zu genügen. Er sollte seine Auftraggeber nicht enttäuschen.

Geboren am 26. Mai 18352 in (Rauisch-)Holzhausen, Kreis Kirchhain, hatte er sich an der Bürgerschule in Marburg und der Talmudschule des Gudensberger Rabbiners Wetzlar, dem überhaupt viele hessische und außerhessische Lehrer die Vorbereitung fürs Seminar verdanken, auf die Lehrerprüfung vorbereitet und sie als Autodidakt vor der Marburger Prüfungskommission abgelegt. Von 1854 an war er Lehrer an israelitischen Elementarschulen in Ropperhausen (Kreis Ziegenhain), Adelebsen und Göttingen gewesen. Hier hatte er neben seiner Amtstätigkeit an der Universität studiert, 1864 das Examen pro facultate docendi (höheres Lehramt) abgelegt und anschließend eine Stelle an der Jacobson-Schule in Seesen (Harz) angenommen.3 Ob in Göttingen oder in Jena - darüber gehen die Nachrichten auseinander - hatte er die philosophische Doktorwürde erworben.

In Kassel entfaltet er eine rege Tätigkeit als Seminardirigent, Schulbuchverfasser und Religionslehrer an den meisten höheren Schulen. 1868 gründet er die "Israelitische Lehrerkonferenz Hessens".4 Sie ist ein Zusammenschluß jüdischer Lehrer, deren Zweck darin besteht, spezifisch pädagogische und

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1 StAM, Best. 17. Regierung Kassel, h. Schulrep. Nr. 183l II ; ebd. die folgenden Zitate.

2 Die Daten wurden ermittelt aus:
a) Ackermann, Karl: Statist. Rückschau auf 100 Semester d. Realschule in d. Hedwigstraße zu Kassel, Kassel 1893, S. 26;
b) Amram, W.: Wie ist die israelitische Schule im Regierungsbezirk Cassel entstanden?, Cassel 1898, S. 28;
c) den genannten Archiven.

3 1801 von Israel Jacobson gegründet. Sie war auch christlichen Kindern zugänglich. Einer der ersten Christen, die ihre Kinder in diese Schule schickten, war der Stadtphysikus Dr. Spohr, der Vater Louis Spohrs, der hier einen jüngeren Sohn unterrichten ließ.
Die Schule besteht noch heute als Gymnasium (vgl. Ballin, Gerhard, Die Jacobson-Schule in Seesen, in: Tausend Jahre Seesen a. Harz, Seesen 1974, S. 349 ff.).

4 Stein, Jakob: Geschichte d. israelit. Lehrerkonferenz Hessens, Cassel 1893.

 

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