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    - weniger kostspielig ist die Ausbildung israelitischer Lehrer an den staatlichen christlichen Seminaren in Marburg und Fulda, denen nur ein israelitischer Religionslehrer zuzuordnen und zu bezahlen wäre;

    - wenn das Innenministerium sie weiter untersagt, sollte ein eigenes israelitisches Seminar für drei Provinzen in Marburg errichtet werden, weil Marburg im Mittelpunkt des Kurstaates liegt und mit seiner Universität die Möglichkeit zum Weiterstudium bietet;

    - das Seminar in Kassel ist nur ein Anhang der Gemeindeschule, den diese benutzt, um an die Provinzialkasse heranzukommen;

    - das Vorsteheramt in Kassel ist nicht die geeignete Behörde, um eine provinzübergreifende Anstalt zu verwalten;

    - eine große Residenzstadt ist für eine Lehrerbildungsanstalt ungeeignet, ist doch auch das christliche Seminar 1835 von hier nach Homberg verlegt worden. Die gleichen Gründe treffen auch für das israelitische zu: Die sich dem Schuldienst widmenden Jünglinge "gehören größtenteils der allerdürftigsten Klasse an", können den kostspieligen Unterhalt in einer Großstadt nicht bestreiten und sind auf einen ablenkenden Nebenverdienst angewiesen. Die nicht zu verhindernde "Berührung mit der Außenwelt" und dem großstädtischen Leben erwecken in ihnen "zu großartige Ansichten und Ansprüche", die ihrer zukünftigen beschränkten und schlecht dotierten Stellung widersprechen und "Unzufriedenheit, Mißmuth und daraus hervorgehende laxe Pflichterfüllung zur Folge haben."19)

Der federführende Berichterstatter an das Ministerium ist der Schulrat Vogt bei der Regierung in Kassel, der ehemalige Direktor des staatlichen Seminars und Freund Moses Büdingers. In bezug auf den Widerstand gegen die Residenzstadt gerät er insofern etwas in Beweisnot, als er mit dem gleichen Motiv, daß "das Treiben der Residenz auf Sitte und Charakter, Lebens- und Berufsansicht der Seminarzöglinge einen verderblichen Einfluß (ausübe)" die Umsiedlung des staatlichen Seminars nach Homberg befürwortet hatte.20) Er bestreitet auch jetzt nicht, daß "eine große Stadt im Allgemeinen dem Gedeihen eines ... Schullehrer-Seminars nicht förderlich sey,"21) weist aber auf die besonderen Bedingungen hin unter denen ein israelitisches Seminar steht. Keine kurhessische Stadt könne ein so kostengünstiges und erfolgversprechendes Seminar anbieten wie Kassel, "wo eine vollständig organisierte israelitische Schule, tüchtige Lehrer und zahlreiche israelitische Familien vorhanden sind, welche das Vermögen besitzen und ihre Willigkeit schon bewährt haben, armen israelitischen Schulamtscandidaten durch Verwilligung ständiger Mahlzeiten (sogenannte "Tische") und auf andere Weise oft bedeutende Unterstützung zufließen zu lassen."

Am 26. Januar läßt das Innenministerium ermitteln, ob im benachbarten Preußen "eine solche Central-Bildungsanstalt für israelitische Schullehrer bestehe", und Vogt berichtet, daß dies nicht der Fall sei, sondern nur in einzelnen israelitischen Gemeinden wie Berlin und Münster "nebenbei Lehrer gebildet", in Preußen aber auch jüdische Aspiranten in christliche Seminare aufgenommen würden. Daraufhin übermittelt das Innenministerium den Regierungen am 27.2.1839 eine "Höchste Entschließung, wonach die Einrichtung eines Centralseminars zur Bildung israelitischer Schullehrer vorerst beruhen soll."22) Damit ist aber die Angelegenheit keineswegs erledigt; fast ununterbrochen kommt das Vorsteheramt in den nächsten 30 Jahren darauf zurück, sobald finanzielle Probleme im Spiel sind, und sie sind es fast immer, seien es Verbesserungen der Ausstattung, Lehrereinstellungen oder Benefizien. Aber weder das Ministerium noch die anderen Provinz-Vorsteherämter ändern ihre Haltung.

 

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