..

-8-

Günstiger als die Schule entwickelt sich das Seminar, obwohl es vom Zustand der Schule stark tangiert wird: Es verliert seine Vorbereitungsanstalt und mit dem Ausfall des Schulgeldes einen Teil seiner finanziellen Basis.

Auf zwei Wegen versucht das Vorsteheramt aus der Finanzmisere herauszukommen: Es beantragt seit Anfang der Dreißiger Jahre beim Innenminister laufend einen Staatszuschuß, und es verfolgt den von Pinhas und Büdinger nie aufgegebenen Plan, im Kasseler Seminar einen einheitlich gebildeten Lehrerstand für ganz Kurhessen heranzuziehen, an dessen Ausbildungskosten die Israeliten aller Provinzen beteiligt werden.

Den ersten Ausweg versperrt die strikte Weigerung des Innenministeriums, eine staatliche Unterstützung zu gewähren; den zweiten blockieren Vorsteherämter und Regierungen der Provinzen Marburg, Fulda und Hanau. Mimosenhaft reagieren sie auf nur vage Andeutungen in Richtung einer zentralen Lehrerbildungsanstalt in Kassel - und sie liegen immer in der Luft, zumal sich auch das Innenministerium nicht abgeneigt zeigt, ein solches Vorhaben zu unterstützen. In einem regen Schriftverkehr mit Provinz- und Staatsregierung werden die Vorsteherämter nicht müde ihre Antipathie gegen Kassel kundzutun. Federführend betätigen sich dabei Vorsteheramt und Regierung Marburgs, die anscheinend nicht verkraftet haben, daß ihre eigenen Seminarpläne vom Ministerium abgewiesen worden sind. Trotzdem kann das Vorsteheramt 1837 bilanzieren, daß bisher 54 Zöglinge aus dem Seminar entlassen worden sind, die größtenteils in Niederhessen, aber auch in den anderen Provinzen Schulstellen bekleiden. "Diese Anstalt ist bis jetzt in unserer Konfession die einzige in Deutschland, vielleicht in Europa." Ihr Bedürfnis ist unabweisbar, damit "für den Kultus, der bei uns wesentlich in einer mit dem Familienleben zusammenhängenden Lithurgie besteht, getreue und einfach dazu erwogene Gehilfen und Diener, für die Schule nach wohlverstandenen Grundsätzen gebildete, dem erkannten eigentlichen Volksbedürfnis entsprechende Lehrer, und für das Leben Subjecte gewonnen werden, die bei einem bescheidenen, aber mühsamen und ernsten Berufe nützliche Gewohnheiten, Beispiele und Lehren der Arbeitsamkeit und stillen Thätigkeit verbreiten, vor allem aber zur Verbesserung der aufwachsenden Generation der ärmeren Masse in Städten und Dörfern wirken können."16)

Wie viele andere, so ist auch dieser Bericht mit dem Vorstoß verbunden, das Kasseler Seminar zu einem Landesseminar zu erweitern, das noch erheblich bessere Ergebnisse zeitigen und die bisher gratis nutznießenden Provinzen zu den Kosten heranziehen würde. Diesmal geht das Innenministerium über eine bloße Sympathiekundgebung hinaus. Am 1. Oktober 1838 läßt es den Regierungen folgenden Beschluß zugehen: "Es wird beabsichtigt, die hiesige israelitische Schullehrer-Bildungsanstalt zu einer Landesanstalt für sämmtliche Israeliten des Kurstaates zu erheben."17) Außer den schon jetzt von Niederhessen geleisteten Beiträgen sollen 600 Rthl. nach Maßgabe ihres Steueraufkommens von den übrigen drei Provinzen aufgebracht werden.

Die Verfügung prallt bei den angesprochenen Vorsteherämtern und auch Regierungen gegen eine in langen Jahren aufgerichtete Wand von Argumenten, die sich wie folgt zusammenfassen lassen:18)

    - die Provinzkassen sind so stark belastet, daß sie Kosten für ein Lehrerseminar nicht mehr tragen können;

    - der Staat, der die Ausbildung der christlichen Lehrer finanziert ist auch verpflichtet, für die staatsbürgerlich gleichberechtigten Israeliten zu sorgen;

 

..