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als die vom Zeitungsfutter oder der Zufallsliteratur, die der Wind herangeweht, sich nährende Masse, sondern als die kernigen Menschen, die seit Jahrhunderten auf den Höfen und Dörfern, auch wohl in den Sperlingsgassen kleiner Städte sitzen und durch Brauch und Sitte und oft durch Tracht miteinander verbunden sind. Das so verstandene Volk, die kleinen Geschäftsleute, Handwerker und allen voran die Bauern haben ihre eigene enge Welt, eigene Gedanken und eigenen Sprachausdruck. Unter einem solchen Menschenschlag, dem schlichten treuen Hessenvolke, hat der Vortragende selber lange Jahre in Walddörfern gelebt und, da er seine Beobachtungen ohne Nebenabsicht, auch ohne die Absicht der Mitteilung an die Öffentlichkeit, gemacht hat, ist gerade er, wie heute wohl nur noch sehr wenige, gerüstet und berufen, von dem urwüchsigen und ältesten Teile unseres deutschen Volkes zu reden — ehe er durch die moderne Kultur sterben muß. Denn seine Bauern, die er belauscht und beobachtet, sind auch in dem Punkte der Lektüre gar nicht verschieden von den Bauern in Süd und Nord, in Ost und West unserer deutschen Heimat.

Was also liest nach B. das Volk, so aufgefaßt? Natürlich die Bibel, die Gesangbuchlieder, die sich ihm so schön reimen, die Hauspostille und das abgenutzte ererbte Familiengebetbuch, endlich den Hauskalender; alles Schriften, die der wechselnden Mode nicht unterworfen sind und vom Großvater wie vom Enkel immer mit denselben gläubigen Augen angesehen werden. Von weltlichen Büchern liest das Volk eigentlich nichts. Höchstens hören sie von ihren Kindern aus ihren Schullesebüchern eine kurze Geschichte, oder sie nehmen zuweilen ein weltliches Buch zur Hand, das ihnen besonders empfohlen ist. Aber das ist Ausnahme. Der Vortragende erklärt nun: Mangel an geistiger Regsamkeit, an Fähigkeit aus Sage oder Geschichte im allgemeinen oder aus Begebenheiten seines eigenen Standes etwas aus Büchern aufzunehmen, ist schwer zu denken beim Volke, das eine erstaunliche Fähigkeit bewiesen hat und beweist, Hüter der ungeschriebenen Literatur zu sein, der Sagen und

 

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