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[Gemeinheit] meinheit der Bürger. Die gesammte Bürgerschaft, vor Allem die Zünfte, erheben schon Anspruch auf Mitwirkung im Stadtregiment

Die Verwirrungen, die solche Vielköpfigkeit anrichten musste, wurden durch die äusseren Gefahren, die der Stadt zur Zeit der Ritteraufstände drohten, wo die Stadt ihrem Landesherrn im Kampfe gegen diese Gut und Blut opfern, lange Zeit zurückgehalten. Der Landgraf versprach ihnen ihre Opfer durch den Schlagschatz, den ihm die Marburger Münze einbrachte, zu ersetzen. Eine Neuordnung des Stadtregiments, die er, wie Küch annimmt, um 1402 erliess, hatte keinen Bestand, da die Regentschaft im Jahre 1414 sie wieder einzog und aufhob. Der selbstständig gewordene Landgraf Ludwig I. stellte sie aber wieder her.

Durch das Privileg für die Zunftmeister und Gemeinen vom 24. Nov. 1428 des Landgrafen Ludwig I. erlangen endlich die Zünfte und Gemeinen ausdrücklich ihre Anerkennung als eine mit wichtigen Befugnissen für das Stadtregiment ausgestattete Korporation. Sie erhalten jetzt auch ein aktives Wahlrecht. Sie wählen alljährlich erstens aus ihrer Mitte die Vierer, die an Stelle der Rathmannen und Schöffen die Hauptstadtämter des Bürgermeisters, Baumeisters und Besehers versehen sollen, zweitens wählen sie aus der Mitte der Schöffen den ersten Bürgermeister, während die Schöffen aus den Vierern den Unterbürgermeister bestimmen. Ferner haben Zunftmeister und Gemeine das Becht mit den Vierern zu berathen, wenn diese mit den Schöffen sich nicht verständigen können. Der wichtigste Vierer, der Mund der Zunftmeister und Gemeine im Rath, war der Unterbürgermeister. Die Rathmannen sollen allmählich eingehen, bis dahin aber die Schöffen aus den noch vorhandenen genommen werden. Dann aber können sich die Schöffen wieder durch Kooptation ergänzen. Die Schöffen waren schon mehr und mehr aus den vornehmen und zünftischen Kreisen gemischt. Häufig wurden auch bewährte Vierer zu Schöffen gewählt. Schöffen und Vierer unterschieden sich nur noch dadurch, dass die ersteren das Stadtgericht nach wie vor bildeten, im Schöffenstuhl bei Rath und in der Kirche sassen, und grössere Weingeschenke an Ehrentagen erhielten, als die Vierer. Letztere trugen bei den Prozessionen den Baldachin. Endlich war das Schöffenamt, nicht aber das Viereramt lebenslänglich.

Auch das Stadtschreiber- und zugleich Gerichtsschreiberamt war ein sehr wichtiges und angesehenes, aber weder bei Rath noch im Gericht mit entscheidenden Befugnissen versehen.

Im Jahre 1478 zogen die Krämer die Gewandschneider und Vorhaker in ihre Zunft, jedenfalls weil beide letzteren für sich allein nicht bestehen konnten und die Krämerzunft auch eine Verstärkung wünschte. Handel und Marktverkehr war in Marburg nicht bedeutend. Landgraf Ludwig I. that 1419 etwas zu dessen Hebung. Die Wollenweber suchten ihren Hauptabsatz auf der Frankfurter Messe, wie eine Urkunde von 1421 zeigt. Im Jahre 1564 nach der Kämmereirechnung hatte Marburg die 12 Zünfte der Wollenweber (am stärksten zu

 

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