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Die Marburger Schöffenfamilien der älteren Zeit waren meist, so weit sich dies nachweisen lässt, durch Grundbesitz in der Umgegend hervorragend, manche hatten Weinschenken und Weinhandlungen. Ein Angehöriger einer Patrizierfamilie, Rückil Engel, war 1408 und 1423 Burgmann. Aus Erkenntlichkeit für feste Geldbezüge aus der Stadt und andere Dienste ertheilten die Landgrafen der Stadt Freiheiten, die den Wünschen der Bürger und des Stadtregiments entsprachen und nothwendig gewordene Reformen anordneten.

Der erste erhaltene Freiheitsbrief ist vom Bischof Ludwig von Münster arn 17. October 1311 ausgestellt. Er spricht die Bürger von verschiedenen Lasten frei. Dahin ist z. B. zu rechnen: Hörigkeit und Frohndienste. Dafür zahlen sie ihm jährlich 300 Mark köln. Pf. Die Erhebung des Geldes von den Bürgern wird der Stadt nun selber übertragen, wodurch sie auch freier und selbständiger wird. Um diese Geschosssatzung zu erleichtern und zuverlässiger zu machen, sollen die Schöffen sich aus den anderen Bürgern noch 12 Rathmannen beigesellen. Der Zunft der Gewandschneider kommt die Verordnung zu Hilfe, indem sie den Tuchmachern verbietet, Tuch im Schnitt zu verkaufen. Das Zunftbetrieb soll auf die Stadt beschränkt bleiben zur Hebung des städtischen Verkehrs.

Die Tuchmacher oder Wollenweber waren im Mittelalter die bedeutendste Zunft in Marburg. Ihre Statuten von 1365 sind hier das älteste Zunftdocument. Man erkennt daraus, welche straffe Zucht in den Zünften herrschte.

Der grosse Aufschwung, den die Zünfte seit dem l4. Jahrhundert nahmen und ihre feste Einigung trieb sie dazu und befähigte sie, aus der früheren Zurücksetzung des Handwerkerstandes zu politischer Gleichberechtigung mit den vornehmen Geschlechtern in den Städten zu gelangen. So war es auch in Marburg. Die erste Stufe dazu waren die Rathmannen, die aber noch von den Schöffen gewählt wurden.

Ein Freiheitsbrief vom 4. Dezember 1357 gestattet sogar, dass 24 Rathmannen, auch die 12 des alten Jahres, am Rathe theilnehmen können, doch so, dass 2 ihrer Stimmen einer Schöffenstimme gleichzuachten sind. Sie können sich ebenso jetzt an den neuen Schöffenwahlen betheiligen. Sie wählen allein aus den Schöffen den Bürgermeister, der früher wahrscheinlich von den Schöffen gewählt war. Ausserdem sollen die Schöffen jetzt aus dem neuen Rath einen Unterbürgermeister bestimmen.

Der Antheil der Gemeinde am Stadtregiment ist durch ihre Rathsmannen also fast schon der gleiche geworden als der der Schöffen. Dadurch, dass sie die Schöffen mitwählen können, geht auch der aristokratische Charakter des Schöffenkollegiums allmählich verloren.

Der Aemterwechsel, der hier auf den St. Jacobstag, den 25. Juli, festgesetzt ist, hatte auch schon früher, z. B. 1301 und 1308 um diese Zeit stattgefunden.

Die demokratische Gestaltung des Stadtregiments nahm nun immer mehr zu. In einer Urkunde von 1362 wird dasselbe schon bezeichnet als: Bürgermeister, Schöffen, Rath und Ge- [Gemeinheit]

 

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