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bände boten Weit bessere Objekte für Schuldverschreibungen dar als das jedem feindlichen Überfall ausgesetzte platte Land.

Hierbei drängt sich die Frage auf, warum man die alten Städte nicht einfach erweiterte? Die Gründe liegen nahe. Wenn eine ganze Ortschaft übersiedelte, so hatte diese nicht Lust, sich unter das — wie überall — so auch hier in Gudensberg in festen Händen befindliche Regiment der alten Stadt zu beugen; und letztere, eifersüchtig auf ihre Privilegien,. sah in den neuen Zuzügern nur unliebsame Concurrenten. Vor allem aber dürfte der Grund ein finanzieller gewesen sein: die Steuerkraft der Altstadt war gewöhnlich für den Landesherrn schon aufs stärkste in Anspruch genommen; grossenteils flössen die Beden und Ungelder in die Taschen der Gläubiger; und wenn sie hatten Bürgschaft leisten müssen für den Landesherrn, so waren die Städte nicht selten in der Notwendigkeit, die Zinsen genau so aufbringen zu müssen, als ob sie selbst die Schulden gemacht hätten. Da trug natürlich die Einwohnerschaft eines Dorfes Bedenken, der alten Stadt ihre Lasten abnehmen zu helfen. Aber gern zog der eine oder andere Bürger aus dieser hinüber in die Neustadt, um auf bequeme Weise sich den alten Lasten zu entziehen und die Steuerfreiheit eine Weile mit zu geniessen, (so z. B. an unserem Ort die angesehenen Familien Schindeleib und Schoych), was hinwiederum deren früheren Mitbürgern durchaus nicht lieb war.

Eine Urkunde aus dem Jahre 1356 legt uns diese Verhältnisse vor Augen100): Landgraf Heinrich und sein Sohn Otto wollen hiernach nicht dulden, dass ein Bürger aus der alten Stadt zu Gudensberg auf die Freiheit ziehe, so lange bis sie, die Landgrafen, alle Schuldverschreibungen, welche die Altstadt für sie ausgegeben hat, eingelöst haben. Zöge dennoch einer hinaus, so soll er seine Güter und Habe in der Altstadt weiter versteuern, natürlich nur bis zu dem gedachten Zeitpunkt, gleich als ob er noch dort wohnte.

Diese Urkunde gibt die ungefähre Entstehungszeit der Neustadt an die Hand; zugleich beweist sie, was ich schon sagte, dass die Gründung von den Landgrafen ausging. Und ferner beweist dies das Siegel der Neustadt, dessen Embleme dem landgräflichen Wappen entnommen sind: es zeigt einen Helm mit einem rechten, mit Lindenblättern besetzten Büffelhorn als Helmzier, sowie als Kleinod einen links gewendeten wachsenden Löwenkopf. Das leere Feld ist mit Lindenblättern besäet101).

Endlich stand auch die Freiheit auf herrschaftlichem Grund und Boden102), und dies ist ein Moment, dessen ich oben noch nicht Erwähnung that als einer Hauptveranlassung zum Bau neuer Städte: die Grundherren verbesserten wesentlich ihre Grundrente, wenn sie das Land zu Bauplätzen und Gärten hergaben. Und wie die Freiheit, so stand auch die Altstadt ursprünglich zweifelsohne auf herrschaftlichem Grund und Boden. Denn als nach dem grossen Brande des Jahres 1587103) verschiedene ärmere Bürger genötigt wurden, von der Stadt kleine Darlehen anzunehmen, um ihre Häuser wiederaufzubauen

Mittheilungen.                                                         8

 

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