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Später hat sich die Stadtverfassung dahier genau so entwickelt wie in den meisten ändern hessischen Städten. Wir finden zwei Schöffencollegien von je 6 Männern, die von Jahr zu Jahr umwechseln: die einen amtiren in den geraden, die andern in den ungeraden Jahren. Der Bürgermeister des Vorjahres ist stets der Stellvertreter des regierenden. Einen Gemeindebürgermeister als Vertreter oder Worthalter der Bürgerschaft gegenüber dem Rat finde ich seit 1429; später hat er noch einen Gesellen, den sog. Rügeträger, der wohl bei den Rügegerichten als Anwalt oder Verteidiger aufzutreten hatte. Die Ämter waren unbesoldet bis zum Jahre 1595, wo zuerst eine kleine Vergütung eingeführt wurde: man beschloss, dem regierenden Bürgermeister acht, dem Stellvertreter zwei Gulden jährlich für ihre Mühewaltung zu geben; die Geschosseinnehmer erhielten ebenfalls je 2 Gulden und die Thorknechte jeder 6 Albus Jahreslohn 97a).

Die Bürgerschaft war den Thürmen der Stadt zu- und nach diesen auch z. B. bei der Steuerhebung eingeteilt: von der Wenigenburg hinunter gelangte man über den Weissenthurm herab zum Niederthor; am Paradeplatz, der ehedem ein Teich war, stand der Teichthurm, dann folgte das Freiheiter Thor, das Leilachen und der Ankenthurm. Zwischen dem Neuthor an der Casseler Strasse und dem Oberthor stand der Schrendteissen; am Burgberge hinauf folgten der Schüler, der Zeller und der Sanner. Endlich in der Einsenkung zwischen der Oberen und der Wenigenburg stand und steht teilweise heute noch der Gefangenenthurm als der einzige, der sich erhalten hat in dem einst stattlichen, hochragenden Mauergürtel der Stadt.

Warum Gudensberg ummauert wurde? Zweifelsohne, weil hier im Schutze des mächtigen Grafenschlosses sich Handel und Wandel gebildet hatte, an der Heerstrasse, die von Frankfurt über Fritzlar nach dem Norden führte. Vier von den sieben Märkten, die unsere Stadt jetzt noch hat, scheinen — die Privilegien darüber fehlen, — in unvordenkliche Zeiten zurückzugehen, den fünften erhielt sie beiläufig bemerkt von Landgraf Karl im Jahre 1682, die „beiden letzten erst 1745 durch Landgraf Wilhelm VIII.98). Über dem Marktplatze erhob sich, gleichsam eine schützende Citadelle, der Kirchhof mit seinen festen Mauern, darüber die der hl. Margarethe geweihte Kirche, deren älteste Teile noch ins 13. Jahrhundert zurückgehen99), und gleich gegenüber das Rathaus, in welchem das Marktgericht gehalten wurde, wenn oben die schützende Reichsfahne ausgesteckt war.

Ob hier in Gudensberg einst Handel und Gewerbe blühten, darüber sind uns keine Nachrichten erhalten; und wenn man im Mittelalter keine Spur einer Zunftverfassung findet, woran allerdings die Unvollkommenheit des überlieferten Materials schuld sein kann, so sollte man glauben, die Gewerbthätigkeit sei gering gewesen. Immerhin möchte ich hier, um zu einem Vergleich mit den heutigen Zuständen anzuregen, eine kleine Statistik der Handwerker und Gewerbetreibenden, die noch vor

 

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