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Erzbischof Adolf war der letzte mainzer Prälat, welcher den Landgrafen die Lehen seiner Kirche ernstlich streitig gemacht hat. Mit ihm haben die grossen Kämpfe, welche die Selbständigkeit des Hessenlandes mehr als einmal bedrohten, ihr Ende erreicht. Wie oft mag von den Zinnen unserer Burg droben hinausgespäht worden sein nach dem Hauptstützpunkt der mainzischen Macht, nach dem vielthürmigen Fritzlar hin! Wüssten wir alle die Kämpfe, die sich hier abgespielt haben, welch’ ein reiches Bild der Geschichte würde sich vor uns aufrollen! Aber die Ruhe und Behaglichkeit des äusseren Lebens, die uns als die selbstverständliche Kette erscheinen, in die wir den Einschlag unseres häuslichen Lebens hineinverwirken, sie würden wir sehr vermissen.

In den zwanziger Jahren des 14 Jahrhunderts sah es so traurig in dem fehdedurchtobten Lande aus, dass Papst Johann XXII., als er auf Ansuchen Landgraf Ludwigs von Hessen, des Bischofs von Münster, den Erzbischof von Mainz auffordert, die Zahl der Mönche im Kloster Breitenau zu beschränken, dies damit begründet, dass das Kloster inmitten einer verderbten Bevölkerung unter Räubern und Bedrängern derartig gelegen sei, dass Abt und Convent kaum zu leben hätten94). Diese Zustände dauerten, einem zweiten Schreiben zufolge, noch im Jahre 1354 fort, und wurden eher schlimmer als besser.

Also suchte die Landbevölkerung Schutz hinter den Mauern und Zinnen der Städte. Die Familien, die in Gudensberg zuwanderten, kamen im 14 Jahrhundert, wie die Eigennamen beweisen, aus allen umliegenden Ortschaften, von Brunslar, von Wabern, von Niedenstein, von Hebel, Hertingshausen und Haldorf, von Harle, von Dissen, Fischbach, Felsberg, von der Karlskirche und von Borken, ja von Fulda her. Wann die erste Anlage unserer Stadt erfolgt sei, wissen wir nicht. Aber wenn der Heraldiker Recht hat, der den ältesten Städten die nächstliegenden Wappenbilder zuweist, als da sind Mauer, Thurm und Thor, so dürfen wir Gudensberg, wenn nicht zu den ältesten, so doch zu den älteren Städten des Hessenlandes zählen. Ich sagte oben, dass der Stadt als solcher zuerst im Jahre 1254 Erwähnung geschehe. Indessen dürfen wir schon für das Jahr 1236 die Existenz derselben annehmen, da unter den Zeugen einer hier stattgefundenen Gerichtsverhandlung der Pfarrer Herebord und Johannes der Schultheiss von Gudensberg genannt werden95). Letzterer namentlich setzt das Vorhandensein eines städtischen Schöffencollegs voraus, welches letztere zuerst im Jahre 1267 urkundlich erscheint96) und damit das Bestehen der Stadt auch rechtlich bezeugt, denn das Vorhandensein des ständigen Schöffencollegs, hier in Gudensberg wie in allen kleineren Städten aus 6 Richtern bestehend, ist das wesentliche Merkmal für die Verfassung der Stadt und ihren Unterschied vom Dorf, indessen wir den eigentlichen Grund für die Herausbildung der Schöffenverfassung in der Ummauerung, — sei es eines bis dahin offenen Ortes oder einer eigens bewirkten künstlichen Anlage — zu suchen haben97).

 

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