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den ihrem Wittum drohenden Schaden die Frau zur Intervention zu veranlassen?

Wie dem auch sei, jedenfalls kennzeichnen die Worte Eckebrechts von Grifte, — mag er sie nun wirklich gesprochen haben oder nicht, — die höhere Wichtigkeit, welche die Erhaltung der Burg für das Haus Hessen besass. Eckebrecht war sich zweifellos der Gefahr bewusst, die mit dem Verlust des Landgerichts Maden verknüpft war; deshalb getraute er sich, Gudensberg selbst gegen das Geheiss des Landgrafen zu behaupten91).

Sieben Tage lag der Erzbischof vor der trotzigen Bergveste, dann zog er unverrichteter Dinge ab. Aber die Nachrede, dass Erzbischof Adolf um sich beisse wie ein Wolf, hat er an unserer Stadt verdient. Denn Gudensberg, die Altstadt wie die Neustadt, waren in Flammen aufgegangen, und letztere hat sich überhaupt nie wieder aus ihren Trümmern erhoben.

An der Strasse, die von hier nach Cassel führt, da wo die Wege nach Deute und nach Dissen abgehen, steht ein uraltes steinernes Kreuz auf einem grabähnlichen Erdhügel, das sog. Casseler Kreuz. Die Sage erzählt, dass einmal der Feind vor unserer Stadt lag und konnte sie nicht gewinnen. Da schlich sich ein Bürger hinaus in das Lager der Feinde und erbot sich, die Stadt in Brand zu stecken, wenn ihm ein reicher Lohn dafür werde, und der Pakt wurde geschlossen. Als es Nacht war, loderte plötzlich in der Hintergasse die Flamme auf; der Feind benutzte die Verwirrung, erstieg die Mauern und Gudensberg fiel in seine Gewalt.

Aber der Verrat kam später an den Tag, und der Verräter, der entfliehen wollte, wurde am Scheidepunkte der drei Wege auf der Casseler Strasse eingeholt, die Bürger rissen ihm die Zunge aus dem Hals und begruben ihn lebendig an der Stelle, wo jetzt das Kreuz steht.

So habe ich im wesentlichen in meiner Jugend die Sage gehört92). Grab und Kreuz, die noch vorhanden, lassen eine wirkliche Begebenheit nicht wegleugnen. So könnte die verräterische That nur in jener verhängnisvollen Nacht des 2. zum 3. September 1387 begangen sein93). Denn es unterliegt keinem Zweifel, dass Landgraf Hermann, wie in Cassel, so auch in Gudensberg eine Partei in der Bürgerschaft gegen sich hatte. Da wir wissen, dass unsere Stadt sich neun Jahre zuvor an der Einung der niederhessischen Städte gegen die willkürliche Besteuerung Landgraf Hermanns ebensowohl wie an der nachfolgenden Erstürmung des Casseler Schlosses beteiligt hat, so wird uns der Verrat eines unzufriedenen Bürgers allhier nicht mehr befremden als die im Jahre 1391 erfolgte Hinrichtung jener Casseler Bürger, die Landgraf Hermann auf die Denunciation eben des Eckebrecht von Grifte, der hier Amtmann war, vornehmen liess.

 

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