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Wie und zu welcher Zeit nun ist Gudensberg in braunschweigischen Besitz gekommen? Denn neben der nicht hinwegzuleugnenden Existenz jenes Briefes und der schon erwähnten Thatsache, dass Herzog Albrecht zu einer gewissen Zeit von Gudensberg als von seiner Stadt spricht, steht die weitere, dass im Jahre 1312 Landgral Otto von Hessen Anstalten zur Belagerung und Eroberung des dortigen Schlosses treffen lässt.

Die einzige Erklärung, die ich zu geben vermag, fusst auf einer handschriftlichen Notiz des früheren kurhessischen Archivars Kessler, die ich in dessen auf der ständischen Landesbibliothek in Cassel aufbewahrten Collectaneen gefunden habe59). Da Kessler keinen Beleg für seine Mitteilung gibt, so muss ich vor der Hand ihm die Verantwortung überlassen.

Er sagt, dass Stadt und Amt Gudensberg der Gemahlin Landgraf Johanns von Hessen, Adelheid, der Tochter Herzog Albrechts von Braunschweig, als Wittum verschrieben worden sei. Johann folgte seinem Vater Heinrich I. in Niederhessen bekanntlich im Jahre 1308; aber schon im Februar 1311 raffte ihn die Pest hinweg, die auch nur wenige Monate später seiner Gattin ein frühes Ende bereitete. Wie lange das einzige Kind beider, ein Töchterlein namens Elisabeth, gelebt hat, wissen wir nicht. Soviel nur steht fest, dass sie ihre Eltern beide überlebte und erst nach dem 2. Oktober 1311 gestorben sein kann60).

Nach dem Tode Johanns nahm dessen älterer Bruder aus erster Ehe, Otto, den der Vater mit Oberhessen abgefunden hatte, das Erbe des Verstorbenen für sich in Anspruch, und zwar, wie man denken sollte, mit Fug und Recht. Allein das Erbrecht Ottos war keineswegs über allen Zweifel erhaben. Zwischen Landgraf Heinrich I. und seinen Söhnen erster Ehe hatten eigentümliche Verhältnisse obgewaltet, und der Erzbischof von Mainz behauptete wohl nicht ohne Grund, dass Otto vom Vater für alle Zeiten mit den Landen an der Lahn abgefunden gewesen sei. Es habe eine sog. Totteilung stattgefunden, und Niederhessen als mainzisches Lehen sei dem Erzstift heimgefallen, — eine Ansicht, die Otto natürlich nicht gelten lassen wollte. Ihm zufolge hatte nur eine Vermutschirung der Lande stattgefunden, und rasch entschlossen wie er war, setzte er sich unverzüglich in den Besitz der Lande seines Bruders.

Des letzteren Schwager, Herzog Albrecht, mochte angesichts der sehr bestrittenen Erbfolge Landgraf Ottos Veranlassung haben, das Wittum seiner Schwester bezw. nach deren Tod das Erbteil seiner Nichte, der kleinen Elisabeth, in fester Hand zu behalten. Aber auf den Besitz von Gudensberg kam es in jenen Tagen wesentlich und nicht dem Landgrafen allein an. Auch der Erzbischof musste ein hohes Interesse an dem Besitze der Stadt wie des Landgerichts Maden haben, da beide die vornehmsten Stücke der mainzer Lehen in Hessen waren, und auf ihnen die Stellung des Landgrafen beruhte.

Wir erfahren aus dem oben bereits inhaltlich mitgeteilten undatirten Briefe Herzog Albrechts an Erzbischof Peter, dass die mainzer Kriegsleute gemeinschaftlich mit den Bürgern von

 

 

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