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Man hat nun angenommen, dass Gudensberg kraft jenes Vertrages in braunschweigischen Pfandbesitz übergegangen und länger als 70 Jahre dem Lande entfremdet gewesen sei54). Aber dies ist irrig. Denn Elisabeth, die Gemahlin Herzog Albrechts, starb schon nach zweijähriger Ehe kinderlos, also noch ehe ihr Bruder zur Volljährigkeit gelangte; und in der ganzen Zeit von 1256 bis 1306 findet sich nicht ein einziger Beweis derartiger Pfandherrschaft vor. Dagegen hat Landgraf Heinrich I. mehrere Male Handlungen vorgenommen, welche ihn als unzweifelhaften Herrn von Gudensberg erkennen lassen.

Im Jahre 1272 übernimmt er die Zahlung einer Geldabgabe von 25 Schillingen leichter Heller, welche die Wächter der unteren Burg zu Gudensberg, der sog. Wenigenburg, aus einem Hofe in Wehren bis dahin erhalten hatten, auf eigene Rechnung, nachdem er diesen Hof dem deutschen Orden in Marburg verkauft hat. Zugleich weist er seinen Amtmann zu Gudensberg an, das Geld regelmässig auszuzahlen55). Keinenfalls ist Gudensberg also damals in braunschweigischen Händen gewesen.

Und ebensowenig dürfen wir dies für das Jahr 1293 annehmen. Denn am 31. Januar desselben Jahres schliesst Landgraf Heinrich mit Erzbischof Gerhard von Mainz zu Fritzlar ein Bündnis gegen den Herzog Albrecht den Fetten von Braunschweig56). Für Innehaltung der beiderseits verabredeten Bedingungen wird eine Conventionalstrafe von 1000 Mark festgesetzt, für welche Summe eventuell der Erzbischof Burg und Stadt Naumburg, der Landgraf in gleicher Weise seine Stadt Gudensberg und das Schloss mit allem Zubehör als Unterpfand einsetzt.

Es versteht sich, dass man nichts verpfändet, was man nicht besitzt. Nun aber soll im Jahre 1306 der schon genannte Herzog Albrecht von Braunschweig Gudensberg seine Stadt genannt haben. Es geschieht dies in einem Briefe an den Erzbischof Peter von Mainz, in welchem er sich darüber beklagt, dass des Erzbischofs Leute, insbesondere die Bürger von Fritzlar seine (des Herzogs) Stadt und Burg Gudensberg feindlich belagert hätten, während er doch bereit sei, bezüglich der mainzer Gefangenen, die er habe, gern den Wünschen des Erzbischofs entgegenzukommen57). Der Herausgeber dieses Schriftstückes hat es ins Jahr 1306 gesetzt, und Gudensberg müsste in dem Zeitraum von 1293 bis dahin in die Hände Herzog Albrechts gekommen sein. Unmöglich in währender Fehde ist dies nicht. Es ist jedoch in hohem Maasse unwahrscheinlich; um so unwahrscheinlicher als die Sühne, welche König Albrecht am 6. Juli 1306 zu Fulda zwischen den hadernden Fürsten von Braunschweig und von Hessen zu Stande brachte (und welche die einzelnen Streitpunkte genau aufzählt), Gudensbergs mit keiner Silbe Erwähnung thut58); um so unwahrscheinlicher, als eine gewaltsame Eroberung von Burg und Stadt den Chronisten schwerlich entgangen sein würde.

Das Jahr 1306 ist ausserdem um so mehr zu verwerfen, als Erzbischof Peter erst am 10. November dieses Jahres erwählt worden ist.

 

 

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