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Jetzt versuchte man es in der Nacht — aber auch ohne Erfolg, da die Türken den Ort um die Grotten herum mit Leuchtkugeln erhellten und viele Arbeiter und Soldaten erschossen. Schon schwand die Hoffnung, in den Besitz der Burg zu kommen, mehr und mehr; da trat ein unvorhergesehenes Ereignis ein, das den Fall der Burg beschleunigte und auf besserem Wege zum Ziele führte.

Die Türken hatten bei ihrer Flucht auf die Akropohs auch den Parthenon zur Unterkunft gewählt. Erstens bot das ausserordentlich feste Gebäude Schutz gegen die Kugeln und dann glaubte man auch, dass dieser ehrwürdige, durch Schönheit und Alter so hoch bedeutende Tempelbau niemals zum Ziele feindlicher Kugeln gemacht werden würde Ungefähr 200 Personen, darunter Weiber und Kinder, hatten sich mit ihrer Habe in den weiten Räumen des Athenetempels geborgen. Gleichzeitig waren auch Pulvervorräthe dort untergebracht und zum Theil in offenen Fässern aufgestellt. Ein türkischer Ueberläufer machte darüber den Hessen Meldung.

Jetzt wurde die Lage kritisch. Sollte man das Bauwerk noch fernerhin schonen? Sollte das Leben christlicher Soldaten weniger werth sein, als ein noch so schöner Athenetempel? Man weiss aus zuverlässiger Quelle, dass Graf Königsmark und Dumont, der im Kriegsrathe eine einflussreiche Stellung einnahm, auch jetzt noch den Tempel schonen wollten. Indessen wurden sie von den Venetianern überstimmt und Muttoni liess jetzt die beiden am weitesten vorgeschobenen Mörser auf das hohe Dach des Akropolis feuern. Da das Dach jedoch abfiel und mit starken Marmorplatten gedeckt war, so prallten die Kugeln von demselben ab und rollten in die Tiefe, ohne irgend welchen Schaden zu thun. Schon zweifelten die venetianischen Artilleristen an dem Gelingen ihrer Schüsse, da dieselben völlig wirkungslos blieben, als ein herbeigerufener junger Lüneburgischer Lieutenant sich erbot, die Geschosse mit veränderter Flugbahn mitten in den Tempel hinein zu werfen. Gesagt, gethan. Kaum, dass das Geschütz von dem Lieutenant selbst geladen, gerichtet und abgefeuert war, vernahm man einen laut donnernden Krach. Gleichzeitig drangen aus dem Dache des Tempels grosse schwarze Rauchwolken; lodernde Flammen schlugen empor, und es unterlag keinem Zweifel, der junge Lüneburgische Lieutenant hatte einen Meisterschuss gethan.

Ueber die Person dieses Officiers und seine näheren Verhältnisse schwebt ein mystisches Dunkel. Merkwürdiger Weise ist der Name des Lieutenants, gegen den schon damals die öffentliche Meinung scharf ins Gericht ging, ganz unbekannt geblieben. Redner betonte, dass es nach seinen Forschungen ein dem Hannoverschen Generalstab als artilleristischer Sachverständiger zugetheilter Artillerie - Lieutenant gewesen sein müsse. Bis zum Jahre 1686 fungirte als solcher Lieutenant Hermann, dessen Tagebuch glücklicher Weise erhalten geblieben ist. Aus diesem geht hervor, dass die höchst mangelhafte venetianische Artillerie oft des Beistandes dieses Officiers be-

 

 

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