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sicht haben die Väter der Stadt Hanau, wo die Gebrüder Grimm anno 1785 und 1786 das Licht der Welt erblickten, anno 1773 eine Feuerordnung gegeben, worin das Ingebrauchnehmen eines Schornsteins, auf dem sich ein Storchnest befindet, bei Strafe verboten wird. Es ist eine wunderbare Erscheinung, die bis zu den alten Germanen hinaufreicht, dass im deutschen Hause die kleinen Knaben im allgemeinen willkommener zu sein pflegen als die kleinen Mädchen! War das neugeborene Kind ein Mädchen, so pflegte der alte Germane zu sagen: ,,Gott schenke uns einen sanften Regen, denn wahrlich, das Getreide steht schlecht!“ Da revanchiren sich denn in Hessen, auch von Alters her, die heranwachsenden Mädchen den Jungen gegenüber mit den Reimen:

                                    „Müller, Müller, Mahler,

                                    Mädchen kosten Thaler,

                                    Jungen gelten Hühnerdreck,

                                    Kehr’ sie mit dem Besen weg“

An die Wiege des Kindes treten die Nornen, um ihm sein Schicksal zu schaffen. Sie bewirken, dass das Leben des Kindes nicht länger dauert, als seine Kerze brennt. Die Sitte, die Geburtstagskuchen der Kinder mit brennenden Kerzen zu schmücken, lehnt sich an diese Sage an. Bis zur Taufe muss bei der Kindbetterinn ein Licht brennen, damit die Zwerge keinen Wechselbalg unterschieben können. Die in Hessen herrschende Sitte, kein Kind vor der Taufe ins Freie zu bringen, ist uralt, denn nach germanischer Anschauung frisst die Sonne die Kinder, wie im Märchen von den sieben Raben zu lesen ist. Darum werden auch die Täuflinge auf dem Gang zur Kirche sorgfältig unter Tüchern verwahrt. Aus Kindern werden Leute, und diese denken bald an des Erdenpilgers zweite Station, an das Heirathen. Es ist wunderbar, wie erfinderisch die wissbegierigen Töchter Evas von jeher gewesen sind, um den Namen des Mitfahrenden auf der Erdenreise zu erfahren. Da wird der Kuckuk befragt, und sein Ruf sagt dem heirathslustigen Mädchen, wie lange es noch warten muss. Ruft der Kuckuk aber mehr als zehnmal, so sitzt er sicher auf einem närrischen Ast. Andere klopfen früh Morgens an das Hühnerhaus; gackert zuerst der Hahn, so ists ein gutes Zeichen, erhebt aber eine Henne ihre Stimme, so muss die Arme noch warten. In manchen Orten Hessens legen sich die Mädchen am Tage St. Pauli verkehrt ins Bett, d. h. mit den Füssen nach oben. Aus dem Traum erfahren sie dann, ob ihr Zukünftiger arm oder reich ist. Auch das Blumenorakel wird bei den hessischen Mädchen fleissig angewendet, die Johannisblume, um den Stand des Freiers zu erfahren und um sich zu vergewissern, ob er sie von Herzen, mit Schmerzen, über alle Maassen, ein wenig, oder gar nicht liebt. Bildet bei den Mädchen das Heirathen den Hauptgegenstand ihres Denkens, so nimmt die männliche Jugend der Gedanke an den Wehrstand in Anspruch. Namentlich in früherer Zeit wusste man Mittel, die hieb-, stich- und kugelfest machten. Ein alter Musketier, Namens Johann Rau, kannte

 

 

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