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mauer zu Gudensberg zeigt ein eingemauerter Stein noch heute die Spur des Rossehufes, welcher den Glisborn aus dem Stein geschlagen hat, als Carl der Grosse nach wilder Schlacht gegen die Sachsen mit den Seinen dort am Verschmachten war. Zwei andere Brunnen liegen im Werrathal, der eine, der gesegnete Born geheissen, an der Strasse nach Eschwege hin, der andere, der Weinbrunnen, bei dem Dorfe Bischhausen. Der Sage nach wurden beide gern von Fischern besucht, die den Frankenwein die Werra hinab nach Bremen fuhren. Hatten sie, wie das oft vorkam, unterwegs ein Fass angebrochen, dann legten sie bei jenen Brunnen an, und füllten daraus das Fass wieder voll, denn das Wasser beider Brunnen stand in dem Rufe, dass es den Wein weder verdünne noch trübe mache. Einen besonders merkwürdigen Brunnen hat das Dorf Eichenberg bei Witzenhausen. Er fliesst eine Viertelstunde lang, füllt sein gemauertes Becken bis zum Ueberströmen und bleibt dann sieben Viertelstunden aus. Jedesmal in der achten Viertelstunde beginnt geräuschig wieder der Zufluss. Landgraf Carl soll einmal fast sieben Viertelstunden gewartet haben; da es ihn endlich langweilte, ging er fort. Kaum aber war er vor dem Dorfe, so fing der Brunnen wieder an zu laufen. Der Landgraf aber lehnte die Umkehr mit den Worten ab: „Hat mich euer Brunnen so lange auf sich warten lassen, so mag er nun auf mich warten.“

Schon unsere Altvordern schrieben dem Wasser allerhand heilende Kräfte zu. Namentlich Regenwasser wurde in hohlen Steinen gesammelt und als Augenwasser angewandt. Solche Steine sind bei Marburg „St. Elisabeth’s Fusstreppe“ und der „Hohlstein“ bei Hilgershausen. Auch das Druselwasser wurde als heilsam bezeichnet, es musste aber mit dem Strom, nicht gegen den Lauf geschöpft werden. Zu Pfingsten bekränzt man in Allendorf, am Johannistage in Wolfhagen, Eschwege und Treysa die Brunnen. Hierin liegt ein Rest des heidnischen Mittsommerfestes, der Sommersonnenwende. Noch ist der alten Brunnen zu gedenken, welche aus den Wurzeln der Weltesche quillen. Es sind ihrer drei. Der Urdsbrunnen, dessen Wasser verjüngt und verschönt, und an dem die drei Nornen, die Schicksalsgöttinnen Urdur, Werdandi und Skuld, d. i. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft wohnen. Er ist dem Menschen am vertrautesten. Nach der Vergangenheit ist er benannt, und wie sehr, meint Simrock, bedürfen wir Deutschen der Mahnung, das Volksleben müsse aus dem Brunnen der Vergangenheit erfrischt werden. Die andere Art der Brunnen, die Kinderbrunnen, zählen in Hessen nach Legion; jedes Dorf hat seinen eigenen, die Stadt Cassel ehedem den Druselteich. Der berühmteste im Lande ist der Frauhollenteich, und die hessischen Kinder glauben so fest an den Kinderbrunnen wie an den Osterhasen. Da erinnern wir uns auch des Vogels der Frau Holle, des Storchs, der sich durch besondere Keuschheit und Familiensinn auszeichnet. Seine Nähe und sein Nest bewahren das Haus vor Feuer und Blitz, und soll es nach der Tradition früher sogar abgabenfrei gemacht haben. In sinniger Voraus-

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