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in den Wäldern Wichtel und Elben, Zwerge und Holzweibchen hausen, sind Flüsse und Teiche mit Nixen und Nöcken belebt. Viele Flüsse stehen beim Volke in dem Rufe, dass sie jedes Jahr ein Opfer durch die Wassergeister forderten, durch deren Sagen ein Zug von Grausamkeit und Blutdurst geht. Mit diesem unheimlichen Ernst paart sich aber auch die Freude der Wassergeister an Tanz, Gesang und Musik. Gleich der Sirene zieht die Nixe durch ihren Gesang den zulauschenden Jüngling an sich und hinab in die Tiefe. Der Nöcke ruft bei besorgten Eltern, deren Kinder sich zum Baden anschicken, den Mahnruf wach: „Der Nöcke wird dich hineinziehen!“ Oft steigen die Nixen des Abends aus dem See, um an dem Tanze der Menschen theilzunehmen. Sie besuchen ihren Geliebten im nahen Dorf, kommen aber auch gern auf die Märkte, woselbst man an ihren Ausgaben erkennen kann, ob theuere oder wohlfeile Zeit bevorsteht. Am 13. Oktober 1615 zeigte sich auf der Lahn bei der Elisabethenmühle zu Marburg eine Wassernixe, die zahlreiche Streitschriften über ihr Wesen hervorrief. Dem Bergsee neben dem Dorfe Dens bei Nentershausen entstiegen der Sage nach einst zwei Jungfrauen, um an den Kirmesfreuden des Dorfes theilzunehmen. Eine von ihnen gewann das Herz eines Bauernburschen, der ihr, um sie zu längerem Bleiben zu nöthigen, die Handschuhe entwendete. Aengstlich suchte sie danach. Da schlug es zwölf Uhr, und beide Jungfrauen liefen voller Bestürzung fort und sprangen in den See, der anderen Tags blutroth war. Diese Röthung wiederholt sich, wie ich selbst erlebte, noch von Zeit zu Zeit, und hat der Pfarrer des Ortes im vorigen Jahrhundert die Kirchenbuchseinträge mit dem rothen Wasser gemacht.

Von den Waldteichen ist in erster Linie der Frauhollenteich hoch oben auf dem Meissner zu erwähnen. Dort hat die Göttin Holda, die Beschützerin der Ehe und Förderin des Kindersegens, ihren Sitz. Man sieht sie Mittags als schöne weisse Frau in der Fluth baden und verschwinden. Ihr werden auch die Herbstfäden, ,,der Altweibersommer“, zugeschrieben, dessen in der Luft fliegende Fäden, wenn sie sich an den Rock des Wanderes heften, ihm als gute Vorbedeutung gelten. Ludwig Richter singt von ihr: ,.Durch die Felder sieht man fahren eine wunderschöne Frau, spinnt von ihren langen Haaren gold’ne Fäden auf der Au.“ Frau Holle kommt aber auch in der Gestalt der zürnenden Göttin vor, z. B. im Märchen, das ihren Namen trägt, als abschreckende Frau mit langen Zähnen. Jedes Hessenkind weiss auch, dass sie ihr Bett machen lässt, wenn es schneit, und zwar wenn es tüchtig schneit, von der Goldmarie, wenn es wenig schneit, von der Pechmarie. Frau Holle gilt auch als Förderin des Gesanges, und in Hessen pflegen die Mädchen bei der Flachsernte ihren Sonntagsstaat anzulegen und singend zu arbeiten, da der Glaube besteht, dass ohne beständigen Gesang die Knotten taub werden.

Das Gebiet der Sage führt nun weiter zu den Brunnen. Der nächste liegt im sagenumwobenen Odenberg. Das Volk verdankt ihn seinem grossen Kaiser Carl, und in der Kirchhofs-

 

 

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