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Eltern bruchleidende oder sonst kranke Kinder durch einen gespaltenen Baum, am liebsten die Eberesche, ziehen lassen, und wenn die Waldkapellen auch seit den Tagen der Reformation wüste liegen, denn Landgraf Philipp verbot sie d. d. Weissenstein Freitag vor Galli 1527 mit allen Wallfahrten „damit sich hiernächst Diejenigen, so nach uns kommen, nicht daran ärgern mögen“, ihre Spuren finden sich noch vielerorten, und ein stilles Gebet im Walde hat der Landgraf mit seiner Massregel nicht verbieten wollen. Der Weg von Nentershausen nach Solz, dem Geburtsort des Marburger Vilmar, steigt neben dem Waldort „wüste Kirche“ auf die Solzer Höhe hinauf, „die Skorzeneren“ nennt das Landvolk den steilen Fusspfad, sicherlich nicht botanischen Angedenkens, sondern verbalhornisirt aus dem Weg, welchen einst die Stationirer zur Bergkirche gegangen sind. Das hat mir die grosse Glocke in Nentershausen verrathen, die einst zu Sti. Theobaldi Ehren geläutet hat, und welcher der noch nicht lange verstummte Nentershäuser Kinderreim galt:

                                    Agnes von Baumbach

                                    Hat das Gold und Silber bracht

                                    Im Gern — im Gern.

Nach einem Gedenken an das Leben der Waldvögel, der Schnepfen, deren erste einst den Förster Schmeisser seinem Herrn von Boyneburgk gegenüber statt des üblichen Schnepfendukatens sich eine Tasse Thee erbitten liess, des Grünspechts, welcher dem Schätzesucher zu der Springwurzel verhilft, der Rohrdommel und des Wiedehopfs, die beide Kuhhirten waren und in fetter und dürrer Weide kein Mass hielten, wie uns das Märchen erzählt, des Rothkehlchens, das vom Blute des gekreuzigten Heilandes, den es ängstlich umflatterte, die rothe Brust trägt und noch heute die Erschlagenen im Walde mit Laub zudeckt, der Meise endlich, die nach alten Weisthümern in hohem Ansehn stand, liess Redner seine Zuhörer in die Sterne schauen, zum Odins- oder Carlswagen (gr. Bär) mit dem Knechtchen (Hans Dümke) und der Henne mit den 7 Küchlein (Plejaden), der Bäckersfrau Gertrud mit ihren 6 Töchtern, die dem Heiland trotz ihres Mannes Verbot den erbetenen Kuchen gab. „Kinder deuten ohne Furcht in die Sterne, während Andere nach dem Volksglauben Engel damit beleidigen“, so vertheidigt Wilhelm Grimm die Kindermärchen in Kinderhand gegen die Bedenklichen.

Die Göttersage, und damit nahm Redner Abschied von dem Wald, kennt eine Waldesche, die das ganze Weltall trug. Auch deutsches, und mit zuerst hessisches Suchen und Sehnen kennt in seiner Erfüllung einen Weltenbaum, den Kreuzesbaum, und wer in den winterlichen Wald hinausgeht und sieht die Tannen in Kreuzesform gen Himmel ragen, der weiss, warum sie auch im Winter grünen. Die sinnige deutsche Sage erzählt, dass des Heilandes Blut, mildiglich am Kreuzesstamm vergossen, dessen die Ursache sei.

Auch um die Quellen, diese lebensprudelnden Waldbrunnen hat die Sage ihre schönsten Netze gewoben. Während

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