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[vorgekommener] kommener Excesse im Carcer verbot, dass sich Jemand ohne Erlaubniss des Rectors ins Carcer begebe oder daselbst Unruhe mache, widrigenfalls er durch die Knechte weggeführt und mit langwieriger Oarcerstrafe belegt werden solle.

Hatte sich einmal Jemand gar zu arg vergangen, so konnte senatus auch unangenehm werden und es rettete den Uebelthäter auch nicht die Flucht aus den Thoren Hanaus. Solches hatte der stud. Hestermann zu erfahren, ein äusserst böswilliger junger Mann, welcher zu Ende der zwanziger Jahre hier sein Unwesen trieb. Er schlug nicht nur den Juden Michael Meyer mit einem Stock über den Kopf, weil er den Hut nicht vor ihm abgenommen, sondern schalt sich auch, in Begleitung von anderen stark betrunken von einem Schmause kommend, auf dem Markte mit einigen Schneidergesellen, wobei er seinen Degen zog und wetzte; erregte ruhestörenden Lärm vor dem Hause des Kanzlers Cranz, wobei wieder der Degen blank gezogen wurde und prügelte den Pedellen. Darob natürlich zu mehrfachem Carcer verurtheilt, gab er sich den Anschein, als ob er seine Strafe antreten wolle und überreichte der hohen Behörde zum Zeichen seiner Unterwerfung seinen Degen, der sich jedoch bei näherer Betrachtung als eine alte rostige Waffe mit hölzernem Gefäss, ein Kinderspielzeug, erwies. Wegen neuer Unthaten betraft [bestraft], beschwerte er sich bei dem Consistorium über den Senat unter dem Vorwurfe der Parteilichkeit, und wurde von seinem Vater, als dieser sah, dass er nicht durchdringen werde, um ihn den ihm in Hanau drohenden Gefahren zu entziehen, nach Marburg geschickt, nicht ohne zuvor dem früher geprügelten Pedellen durch Sirenentöne eine für seinen Vater bestimmte Mittheilung des Senats abzuschwindeln und bei Seite zu schaffen. Da wendete sich der entrüstete Senat, um den Respekt vor den Professoren aufrecht zu erhalten, als auch die Impertinenz des Vaters zu bestrafen, an die Regierung, damit dieser angehalten wurde, seinen unbefugter Weise weggeschafften Sohn zur gebührenden Strafe wiederum zu sistiren. Die Regierung liess den Vater durch den Stadtschultheis und Magistrat der Neustadt belehren, wie er nachweisen solle, dass der Sohn entweder schriftlich deprecirt oder in loco jemandem, der dazu constituiret, nomine senatus mündliche Abbitte geleistet, ratione der Karzerstrafe aber solche mit Geld abgebüsst habe. Vater und Sohn rührten sich nicht, wohl aber der Senat. Auf erneutes Anrufen ersuchte die Regierung die Universität Marburg um Vollstreckung der Carcerstrafe, sowie um Anhaltung des Sünders zur Deprecation. Die Marburger leisteten freundnachbarliche Rechtshülfe, liessen Hestermann den Jüngeren seine Carcerstrafe absitzen, ertheilten ihm einen peinlichen Verweis und liessen ihn dann öffentlich Abbitte thun und zugleich an Eidesstatt versprechen, dass er sich dieserhalb weder in Hanau noch an anderen Orten rächen werde. Der Senat aber liess alles dieses in sein Protokoll niederschreiben, damit man in künftigen Zeiten sehe, dass man sich alles Ernstes habe angelegen sein lassen, die jura gymnasii aufrecht zu erhalten.

Härtere Strafen als Carcer kamen höchst selten zur Anwendung. Ich habe nur einmal im Album einen durchstrichenen Namen gefunden und am Rande den Vermerk: Mockius ob petu- [petulantiam]

 

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