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von allen Excessen und Unanständigkeiten abgehalten würden. Zu dem Ende möge in gedachter Allee aller Streit, Zank, Lärm und Geschrei, Zoten und Singung unzüchtiger Lieder, Tabaksrauchen, Formirung langer Reihen, wodurch Andere im Spazieren behindert würden, verboten, auch Order gestellt werden, dass eine Patrouille von den Soldaten und von der Bürgerschaft sich zu Zeiten Abends an der Allee einfinden müsse. Auch der Rektor erhielt hiervon Nachricht, um das Nöthige zu verfügen.

Es würde zu weit führen, von allen Studentenhändeln zu erzählen, worüber sich die Akten oft mit grosser Ausführlichkeit verbreiten, dass man dem Major von Röder einen Kutschwagen zerschlug, dass stud. Schieferdecker im Schulhof einem armen Bücherjuden den Arm lahm schlug und den Mantel zerhieb, und dann auch noch im Schindergässchen den nichtsahnenden Pedell, den er dorthin lockte, mit einem meuchlings verborgenen Prügel drasch, sodass er mit weinenden Augen zum Rektor kam. Erwähnung möge nur eine Affaire finden, die in den Akten weit über 100 Seiten einnimmt und mit einer grossen Gründlichkeit und Aufwendung aller advocatorischen Künste behandelt wurde. Im Jahre 1730 waren mehrere Studenten in des Kammerdirektors v. d. Velde Garten auf einen Kirschbaum gestiegen, um sich dort oben gütlich zu thun. Da die Degen bei diesem Geschäfte im Wege waren, blieben sie unten. Stud. Erni kam hinzu, vergnügte sich mit einem oder mehreren der dort liegenden Degen die Bäume und Sträucher zu zerhacken und den Kameraden auf dem Baume nach den Waden zu stechen. Darüber gab es Streit, Scheltworte, Beschwerden wegen Beschädigung der frisch geschliffenen Waffen durch die Hiebe nach den Bäumen, Einladungen zu garstigem Mahle und die sonst üblichen Herausforderungen, sowie einige Verwundungen und Barbierkosten. Erni wanderte auf 8 Tage ins Carcer, musste den Barbier bezahlen und ausserdem 6 fl. Unkosten. Die zweite Instanz bestätigte das Urtheil.

Die Studenten unterstanden nicht nur der Disciplin des Senates, sondern auch seiner Gerichtsbarkeit in Civil- und Strafsachen, über deren allseitige Anerkennung er eifersüchtig wachte.

In Civilsachen scheint seine Thätigkeit weniger in Anspruch genommen zu sein.

Bei Ausübung der Disciplinargewalt und Strafgerichtsbarkeit war der Senat nicht gerade schneidig und erregte gelegentlich, wie schon oben erwähnt wurde, wegen seiner laxen Praxis den Misfallen des Consistoriums. Waren Verwundungen vorgekommen, so begnügte man sich häufig damit, dass der Thäter die Barbierkosten übernahm; wurde auf Carcerstrafe erkannt, so verblieb es es meist bei wenigen Tagen; dabei scheint man den nicht unlöblichen Grundsatz befolgt zu haben, ohne allzu ängstliche Abwägung der einzelnen Worte und Schläge der Streitenden den auctor rixae regelmässig etwas schärfer anzusehen als den Mitbeteiligten. Manchmal, wurde auf Bitten, mit Thränen vermischt, die Strafe alsbald gemildert oder erlassen. Auch der Rektor scheint sich befugt erachtet zu haben, eine vom Senat festgesetzte Strafe zu mildern oder einen Senatsbeschluss ganz oder theilweise aufzuheben, denn ein Senatsbeschluss vom 13. August 1735 versagte

 

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