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bereits vorhandener grösserer Städte entscheidenden Einfluss geübt habe. In der Folgezeit hätten sich aber die einzelnen Städte selbstständig auf Grund der besonderen lokalen Verhältnisse weiter entwickelt und gerade bei Marburg könne man die einzelnen Stadien dieser Entwickelung deutlich erkennen.

Die Geschichte der Stadt als Gemeinde stellt sich, so führte der Vortragende aus, hauptsächlich in der Entwickelung der Gemeindeorgane dar. —- In der ersten Periode nach Gründung der Stadt (bis zum Jahre 1284) standen der vom Landgrafen ernannte richterliche Beamte, der Schultheiss, nebst den 11 Schöffen zugleich auch an der Spitze der Stadtgemeinde. Der Schultheiss war in der ersten Zeit stets ritterlicher Abkunft, während die Schöffen dem städtischen Patriciat, den Kaufleuten angehörten. Gerichtsbarkeit und Kommunalverwaltung wurden also durch dieselben Organe ausgeübt. Es machte sich nun auf Seiten der Schöffen das Streben nach Unabhängigkeit vom Stadtherren, dem Landgrafen, hinsichtlich der städtischen Verwaltung geltend und sie erreichten dieses Ziel zunächst dadurch, dass ein Mitglied des Schöffenkollegiums, Rudolf Raustein, i. J. 1248 das Schultheissenamt erhielt. Aber der Erfolg war nur vorübergehend, denn schon in demselben Jahre, wahrscheinlich in Folge der Anwesenheit der Herzogin Sophia von Brabant in Marburg, machte dieser bürgerliche Schultheiss wieder einem ritterbürtigen Nachfolger Platz und trat seinerseits in das Schöffenkollegium zurück. Erst mit der Entstehung des jährlich innerhalb der Schöffen wechselnden Bürgermeisteramtes (zwischen 1280 und 1284) und der dadurch erfolgten Lostrennung der kommunalen Befugnisse vom Schultheissenamte war der entscheidende Schritt zur Selbstständigkeit gethan. Der erste bekannte Bürgermeister ist Ludwig von Fronhausen (1284).

Die weitere Entwickelung der Gemeindeverfassung wurde hauptsächlich durch den Kampf der von der Stadtverwaltung ausgeschlossenen Gemeinde gegen die Schöffenaristokratie veranlasst. Die Schöffen hatten ihre wichtigste kommunale Funktion, die Vertheilung der Steuern, zum Vortheil der herrschenden Klasse missbraucht und die Lasten in der Hauptsache der

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