Aus Stadt und Land 67 schließlich auf fürstliches Drängen der freie Handel mit Häuten und Fellen gelockert worden (BINTZER: Lohgerber, S. 168–170). Nur Freizügigkeit könnte das heimische Handwerk stärken. Das bedeutete aber zunächst Rohstoffknappheit und sinkender Absatz bei den heimischen Löbern. Niederländische und englische Lohgerber produzierten das Leder, das auch die Eschweger Schuster wollten und entzogen gleichzeitig dem Markt die besten Häute. Das heimische Leder blieb liegen. Offenbar zogen die Eschweger Löber zunächst ihre Schlussfolgerungen und wiesen dabei dem Lohberger-Gesellen Eobanus Gleim aufgrund seiner im Ausland erworbenen Erfahrungen eine besondere Rolle zu, indem sie ihn extra aus Holland oder anderwärts … express anhero kommen laßen, damit durch ihn eben dieselbe Arbeit auch allhier unternommen und er zum Einkauff der Wildhäute nach Holland verschickt und gebraucht, auch durch seine Anherokunft die Land-Leder-Fabrique in Aufnahme gebracht werden könnte -und unterthänige Sämtliche Ober- und Mitmeistern der Lohgerber Zunft zu Eschwege beantragten bei der Landesregierung für ihn die Befreiung vom Militärdienst (HStAM, Best. 17 f, Nr. 464: 198RV, 218RV, 221RV). Dem Antrag wurde am 14.7.1763 stattgegeben und Eobanus wird danach mit diesem Auftrag unterwegs gewesen sein (HStAM, Best. 17 f, Nr. 464: 217RV). Dennoch waren die Eschweger Gerber noch zehn Jahre später von der Qualität ihres Leders überzeugt, beschimpften den, den sie vorher beauftragt hatten, daß … sein Vatter die Gerberey allhier einmahlen für sich selbst, sonndern alß Kunst bey anderen Meistern getrieben hätte, und also deßen gar frühzeitig von demselben entlauffenen beyden Söhnen keine Anweisung in seiner Handthierung habe geben können, indem der älteste in seinen ersteren jünglings Jahren, um der Anwerbung zur Militz zu entgehen, weggelauffen, und der Impetrant ebenfalß anno 1757 von dem Möllerischen Garnisons Regiment desertiret wäre, und gleichwie derselbe also ohne einige Känntniß von der Gerberey von deßen Vatter weggekommen seye; so hätte derselbe in denen kurtzen Jahren seiner Abwesenheit natürlicher weise nichts sonderliches profitiren können, und daher rührte es auch, daß der Impetrant vor den aller schlechtesten von ihren Mitmeisteren gehalten würde, und dannenhero könnte er wohl das Holländische Kalbleder vor beßer alß das Seinige in der That halten, allein die übrigen hiesigen Gerber ließen sich den Vorzug ihres Fabricirenden Leders für dem Holländischen gar nicht abstreiten, sprachen von einem Trugbild (HStAM, Best. 17 f, Nr. 464: 193V, 194R–197V) und lehnten alle anderen Gerbverfahren ab. Schließlich klagte Eobanus Gleim 1775 bei der Landesregierung gegen die falschen Behauptungen und persönlichen Verleumdungen und Kasseler Schuster mussten nach konservativem Eschweger und nach niederländischem Verfahren gegerbtes Sohlleder beurteilen (HStAM, Bestand 17 f, Nr. 464: 207R, 226R). Dennoch mangelte es weiter an Einsicht und die Löber beklagten weiter den schlechten Absatz ihrer Produkte (HStAM, Best. 17 f, Nr. 464: 238RV). Doch darüber ging die Zeit hinweg und ab 1820 wurden auf Kasseler Messen nur noch Gerber zugelassen, die nach niederländischer Art gegerbt hatten. 1821 war einer aus Eschwege (BINTZER: Lohgerber, S. 28). Besonders durch technische Weiterentwicklungen und guter Auftragslage kam es Mitte des 19. Jahrhundert zu neuem Aufschwung und nach dem städtischen Verwaltungsbericht wurden 1881/82 in Eschwege 50.000 Häute zu Sohlleder verarbeitet (HStAM, Best. 27 a l, Nr. 70/71).
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