„Jerusalem Tor“ erinnert an die Ansiedlung zahlreicher europäischer Glaubensflüchtlinge.
Gustav Ohlendorf

Wehrhaftes Hessisch Lichtenau
Witzenhäuser Geschichtsverein erkundete die Lossestadt
Hessisch Lichtenau. Das Obertor mit seinem mächtigen Turm, Reste des Untertores und Teile der Stadtmauer – das weist den Besucher auf die Gründungszeit der Stadt Zur lichten Aue hin, die als Festung geplant war. Insbesondere am Obertor mussten Angreifer schweres Geschütz auffahren, um den Bewohnern in einem Areal von nicht größer als 400 mal 800 Metern, dem Stadtkern, gefährlich werden zu können. Hier war am 15. Juni 2013 Anfang und Ende der Stadtführung durch Bernd Quittkat für den Geschichtsverein aus Witzenhausen, der in der Reihe seiner Exkursionen in Dörfer und Städte der Region Fühler in den westlichen Werra-Meißner-Kreis ausstreckte.
Quittkat, pensionierter Oberstleutnant der Bundeswehr und eigentlich ein Zugezogener, erwies sich als exzellenter Kenner der Ortsgeschichte und sorgte für eine kurzweilige Führung, die er mit vielen Anekdoten auflockerte. Zur Zeit ist Quittkat einziger offizieller Stadtführer. Mit Heidi Barth bereitet sich eine Kollegin derzeit auf die Aufgabe vor.
Lichtenau entstand aus sechs verstreuten Ansiedlungen am Schnittpunkt der alten Leipziger Straße als wichtiger Handelsverbindung und der Sälzerstraße. Über sie gelangte das lebenswichtige Salz aus Sooden in den Süden. Zwischen 1283 und 1289, so berichtet die Chronik, legte Landgraf Heinrich I. von Hessen den befestigten Platz an, der neben dem Schutz der Magistralen auch die Landeshauptstadt Kassel sichern und die Grenzfestung Reichenbach entlasten sollte. Bei der Erbauung der Stadt, dies betonte Quittkat, standen Schutz und Sicherheit der Anwohner im Vordergrund.
Stadtmauer und Türme konnten nicht verhindern, dass im Laufe der Zeit viel verloren ging. 1637 wurde die Stadt von Kroaten erobert, die 84 Häuser zerstörten. Bei vier Großbränden 1521, 1523, 1866 und 1929 wurde der größte Teil der Stadt zerstört. Vom alten Stadtbild ist daher wenig erhalten geblieben, heißt es in der offiziellen Darstellung der Stadt. Markante Bauten sind das alte Amtsgericht (später Gymnasium, jetzt Rathaus), das historische Rathaus und die Rote Schule. Dem großen Sohn der Stadt, Kanzler Johannes Feige (1482-1543) , maßgeblich beteiligt an der Reformation in Hessen, ist ein Brunnen an der Stadtkirche gewidmet, der leider kein Wasser führt: Sparmaßnahmen in einer Stadt, die wie ihre Nachbarn mit Leerständen von Läden und Wohnungen zu kämpfen hat.
Quittkat ließ ein düsteres Kapitel der jüngeren Geschichte nicht aus: 1944/1945 gab es auf einem Gelände an der Heinrichstraße ein Außenlager des Konzentrationslagers Buchenwald. Jüdinnen aus Ungarn waren zur Zwangsarbeit in der Munitionsfabrik Hirschhagen eingesetzt. Das zum Teil verseuchte Werksgelände ist mittlerweile weitgehend saniert.
Von der neuen Autobahn 44 erhofft sich die Stadt einen Impuls für Wirtschaft und Tourismus. Dem Hessentag 2006 verdankt die Stadt viele wichtige Investitionen, so den Hollepark. Frau Holle gehört zu Hessisch Lichtenau, denn der Frau-Holle-Teich auf dem Meißner liege in der Stadtgemarkung, meinte Quittkat augenzwinkernd. Der bettenschüttelnden Sagenfigur ist auch ein kleines Museum im alten Rathaus gewidmet, das Holleum. Werner Keller

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