mit seinem alten Petersstift das kirchliche Zentrum der Erzdiözese in Hessen geblieben. Mit der Reformation verlor es diese Funktion und war noch eine kleine Mainzer Exklave, ein Erinnerungsposten früherer territorialer Ambitionen. Es war aber nicht streng abgetrenntes Ausland, sondern durch ein historisch begründetes Netz wechselseitiger Rechtsbeziehungen eng mit dem hessischen Umland verflochten, man denke nur an die umfangreichen Zehntrechte des Petersstiftes und die Patronatsrechte.
Hilbert untersucht, wie sich die Dynamik der Reformation und dann der katholischen Gegenbewegung in dieser Enklavensituation auswirkte. Er fragt, wie weit hier das Konzept der Konfessionalisierung trägt, womit man eine alle Lebensbereiche durchdringende Scheidung der Konfessionen meint, die von oben oder von unten ausging und die in letzter Zeit zur Signatur der Epoche geworden ist („konfessionelles Zeitalter")?
Hilbert zeigt, dass Ansätze einer Reformation von unten in der Mainzer Exklave keinen Erfolg hatten, sondern die Reformation von außen, von Hessen aus kam, zuerst durch den Prediger an der vor den Toren Fritzlars liegenden, aber unter hessischem Patronat stehenden Fraumünsterkirche, dann durch die Besetzung Fritzlars in den Jahren 1552 bis 1555. Der Religionsfrieden von 1555 änderte zunächst nichts, vielmehr erreichte erst danach die Fritzlarer Stadt- oder Ratsreformation ihren Höhepunkt. Fritzlar wurde eine evangelische Stadt mit katholischen Inseln.
Die wichtigste katholische Insel, das St.Peter-Stift, hielt sich in der konfessionellen Auseinandersetzung sehr zurück, weil seine Zehnteinkünfte größtenteils aus Hessen kamen und im Konfliktfalle gefährdet waren. Nachdem Hessen kalvinistisch geworden war, eskalierte die Auseinandersetzung zu einem großen Konflikt um die Zehnten, in dem Hessen letztlich nachgeben musste, weil ihm durch den Merlauer Vertrag die Hände gebunden waren. Danach schritt Mainz 1615 zu einer offensiven Rekatholisierung durch
drastische Sanktionen gegen evangelische Religionsausübung und durch den Einsatz von Jesuiten als Prediger und Erzieher, was 1617 zur Auswanderung vieler evangelischer Familien führte.
Im 30jährigen Krieg wurden die verbliebenen Evangelischen wieder von außen, durch hessische Besetzung und Ausweisung der Jesuiten, gestärkt, und der Frieden von 1648 sicherte die Bikonfessionalität. Ein gemischt-konfessioneller Zustand war - in wechselnder Kräfteverteilung - das Merkmal der Stadt in der ganzen Epoche der Reformation und Gegenreformation.
Auch Hilberts Arbeit erzählt dramatische Geschichten, die ein Schlaglicht auf die analysierten Prozesse werfen. Hilbert schildert die verzweifelten Maßnahmen der mainzischen Behörden, das sonntägliche Auslaufen der Bürger zum evangelischen Gottesdienst zu unterbinden, indem man die Tore schloss. Die Bürger standen früher auf und verließen die Stadt Stunden vor Beginn des Gottesdienstes. Oder erzählt von den Eltern, die ihr kränkelndes Neugeborenes vom katholischen Pfarrer nottaufen ließen und dann, als es sich erholte, in der evangelischen Kirche vor der Stadt richtig taufen ließen, wodurch eine schwere Krise wegen Wiedertaufe entstand.
Oder er erzählt von Skurrilitäten des großen Zehntkonflikts. Als der Gudensberger Amtmann den Bauern verbot, den Zehnten an das Stift zu liefern, sammelten die ehrwürdigen Stiftsherren selbst ihren Anteil der Garben auf den Feldern ein.
Er zeigt auch, dass die Kasseler Behörden nicht so aufrichtig waren, wie es gute Kalvinisten sein sollten. Auf die Mainzer Beschwerde gegen den Gudensberger Beamten tat man nämlich in Kassel so, als habe man damit nichts zu tun, als ob der Beamte ohne Anweisung gehandelt habe - erteilte ihm aber lange keine Gegenorder, sondern hielt den Druck auf Fritzlar aufrecht.
Die beiden Arbeiten zeigen die unterschiedlichen Wege Fritzlars und Fuldas im konfessionellen Zeitalter. In Fritzlar hatte die Stadt-