Das Verbesserungswerk des Landgrafen Moritz
Mit Ludwigs Tod 1604 entfiel der politische Rückhalt für die Lutheraner im nördlichen Teil von Oberhessen, den Moritz von Hessen-Kassel erhielt. Er ging 1605 daran, dem ver-größerten Territorium eine einheitliche Kon-fession zu geben, die eng an seinem Bil-dungsideal und dem Wortlaut der Bibel orientiert war. In Niederhessen war sie schon vielerorts verwurzelt. Nun sollten sie auch das oberhessische Erbteil und die Universität Marburg bestimmen.14
Dort lehrten mittlerweile die Theologen Bal-thasar Mentzer und Johannes Winckel-mann.15 Ihnen und allen anderen Lutheranern wurde im ersten der drei Verbesserungspunkte von 1605 untersagt, die Lehre von der leiblichen Allgegenwart Christi weiter zu verbreiten. Um ihre Andeutung im Abendmahl zu unterbinden und den biblischen Einsetzungsworten gerecht zu werden, schrieb der dritte Verbesserungspunkt vor, normales Brot zu brechen und zu reichen. Der mittlere Verbesserungspunkt führte auch die Zehn Gebote auf den vollen biblischen Wortlaut zurück. Die Vorschrift, sich kein Bildnis zu machen, sollte wieder als zweites Gebot aufgenommen und auch in den Kirchenräumen umgesetzt werden.

Der Umgang mit kirchlichen Bildwerken
Martin Luther hatte weniger durch die christ-lichen Bildwerke als durch ihren gewaltsamen Abbruch die kirchliche Ordnung gefährdet gesehen. In seinen Katechismen von 1529 war daher das zweite Gebot ausgespart und zum Ausgleich das letzte geteilt worden. Da Luthers Rat und die Arbeit seines Freundes Adam Krafft anfangs die Reformation in Hessen geprägt hatten, war hier ein systema-tischer Bildersturm unterblieben.16
Er wurde unter Landgraf Moritz ab 1605 nachgeholt, allerdings weniger umfassend als oft angenommen. So verschwanden figürlich geschmückte Kanzeln und Taufsteine ebenso wie steinerne Altäre oft nur unter schwarzen Tüchern, deren Erwerb in vielen Kastenrechnungen dieser Zeit dokumentiert ist.17
Der Bildersturm der Zweiten Reformation richtet sich gegen Werke, die schon in der Ersten ihre liturgische Funktion verloren hatten, vor allem Wandgemälde. So notierte der zeitgenössische Chronist Heinrich Kornmann aus Kirchhain: Umb diese Zeit deß Monats Junii [1606] ließ der Caplan Strack zu Langenstein die Kirch weiß machen. S. Jacobus und S. Christopherus und S. Anna, so an die Wand gemahlet, nach seinem calvinischen Eifer außleschen und ein Bild, so noch vorhanden, in die Erden begraben, ein new calvinische reformation.18

Die lutherische Kritik galt eher dem calvinischen Eifer als seinem Ergebnis, dem Verlust von Heiligenbilder. Nur selten werden

 

Ausschnitte aus einer Predigt des Ägidius Hunnius über Markus 16, 9–20 (Erstdruck Frankfurt 1588).
In: Postilla / Oder AUßlegung der Episteln vnd Euangelien / auff alle Sontage / Fest vnnd Feyertage / durch das gantze Jahre: Beschrieben [...] Durch ÆGIDIVM HVNNIVM. Frankfurt a. M. [Johann Spieß] 1607. Teil 2: Ostern bis Advent. S.130–141.