erblanden des Ober-fürstenthumbs drey Religionspuncten in besserung zu richten und mit den kirchen im Nider-fürstenthumb [...] zu conformiren und zu vereinigen / vorgenommen / alß I daß die gefährliche und unerbauliche disputationes de persona Christi ingezogen und von der al-lenthalbenheit Christi [...] / in concreto und nicht in abstracto geleret / II daß die zehen Ge-bott Gottes [...] vollkömlich geleret und gelernet / auch die noch von Babsthumb vberbliebene bilder abgethan / und daß zum III in der administration und gebrauch des H. Abendmals das gesegnete brot nach der insatzung des HERren gebraucht / und gebrochen werden sollen.5
Bei den angefallenen erblanden handelte es um die Nordhälfte von Oberhessen mit der Residenzstadt Marburg. Dort starb am 9. Oktober 1604 mit Ludwig IV. der letzte der vier Söhne Philipps, die Hessen 1568 geteilt hatten. Da er kinderlos geblieben war, hatte er seine Neffen in Kassel und Darmstadt als Erben eingesetzt. Das Testament vom 25. April 1595 verpflichtete sie, in Oberhessen die bestehende Konfession zu wahren, die zu Augspurg vbergebene Confession vnd deroselben Apologie.6
Was mit dem Augsburger Bekenntnis von 1530 zu vereinbaren sei, war aber schon länger strittig in der hessischen Kirche. Landgraf Philipp hatte sie im Streit der reformatorischen Lager auf einer „Mittelstraße“ halten wollen und dafür die Wittenberger Konkordie herangezogen, die 1536 von Martin Bucer und Philipp Melanchthon ausgehandelt worden war. Sie erlaubte verschiedene Antworten etwa auf die Frage nach der Gegenwart Christi in der Welt. Darauf hatte Landgraf Philipp auch seine Söhne verpflichtet, die im geteilten Hessen die Einheit der Kirche wahren sollten. Sie verwaltete sich weiter durch die Generalsynode, die aber zunehmend vom Streit der Konfessionen gelähmt wurde. 1582 tagte sie letztmals.7
Dazu beigetragen hatte Ägidius Hunnius (21. Dezember 1550-4. April 1603) aus Württemberg.8 Der lutherische Musterstaat des Herzogs Christoph war das Vorbild seines Schwiegersohns Ludwig IV., der ab 1568 Oberhessen regierte und es ähnlich prägen wollte.9 Er hatte in der Bildungs- und Kirchenpolitik aber keine freie Hand. Beide gesamthessischen Aufgaben musste er mit seinem Bruder in Kassel abstimmen. Wilhelm. IV. suchte für die gemeinsame Kirche weiter nach einer Mittelstraße abseits des Luthertums und seiner eigenen, eher refor-mierten Frömmigkeit.10 Daher hatte er die Berufung von Hunnius an die Universität Marburg 1576 nur ungern mitgetragen und dessen Abgang nach Wittenberg 1592 befördert.11 In der Zwischenzeit war es Hunnius aber gelungen, eine Generation von jungen Pfarrern zu prägen.

Der Streit um die Allgegenwart Christi
Sie übernahmen die lutherische Lehre von der Allgegenwart des erhöhten Christus, der wegen seiner beiden Naturen überall geistlich als Gott und leiblich als Mensch anwesend sein könne, auch im Abendmahl. Reformierte Theologen verspotteten dies als unlogische Ubiquitätslehre. Ubique, so der lateinische Begriff für überall, könne kein Mensch sein. Wenn Christus diese Eigenschaft habe, sei er in jedem Menschen genau so präsent wie in Jesus von Nazareth und verliere seine Einzigartigkeit. Vorstellbar und glaubhaft sei nur seine geistige Allgegenwart als Gott. Der Mensch Jesus bleibe dagegen an einen Ort gebunden, nämlich den Himmel, in den er nach biblischem Zeugnis aufgenommen worden sei.12
Gegen diese Interpretation wandten sich 24 lutherische Pfarrer in einem Revers, das ab 1583 in Oberhessen zirkulierte.13 Sie zeigten damit den konfessionellen Einklang zwischen Geistlichkeit und Landesherrn, den Ludwig IV. nach württembergischen Vorbild anstrebte.