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nachbarter [benachbarter] Orte frei, eine eigene öffentliche und mit geprüften Lehrern gehörig zu besetzende Schule unter Aufsicht des Vorsteheramtes sowie des Kreisrathes und unter der Leitung der Regierung mit der Genehmigung Unseres Ministeriums des Innern einzurichten. Hingegen wird die Annahme von Privatlehrern zum Ersatze des öffentlichen Schulunterrichts da, wo für denselben durch eine zureichende Anstalt gesorgt ist, gänzlich untersagt." Den Lehrern wird aufgegeben, "allgemeine Menschenliebe, Unterwürfigkeit unter die Obrigkeit, Fügung in die bürgerliche Ordnung und Liebe zu dem Lande, in welchem sie geboren sind oder ihren Lebensunterhalt und Schutz finden ... zu lehren." Rabbiner und Gemeindeälteste sollen dafür sorgen, "daß die Knaben dem Ackerbau und ordentlichen Erwerbszweigen gewidmet und von dem verderblichen Schacherhandel abgezogen werden."

Über die Ausbildung der Lehrer schweigt die Verordnung. Der Paragraph über ein Lehrerseminar in Kassel war bereits im Entwurf gestrichen, und der über die Zulassung israelitischer Jünglinge zu christlichen Seminaren mit dem Zusatz versehen worden: "soll zufolge allerhöchsten Beschlusses wegfallen." Wohl aber ent hält die Verordnung die Bestimmung, daß Religionslehrer sich einer Prüfung zu unterziehen haben, und zwar Rabbiner durch "geeignete Mitglieder der philosophischen Fakultät in Marburg" und "die übrigen Lehrer" durch eine "Kommission zur Prüfung der Bewerber um Schulstellen ... im Beiseyn des landesherrlichen Kommissars." Daraus ist zu schließen, daß die Lehrer auch der öffentlichen Schulen zunächst aus den Reihen der an Religionsschulen unterrichtenden Lehrer genommen werden sollen. Ob das Innenministerium mit der Verweigerung einer zentralen israelitischen Lehrerbildung einen Konflikt der Provinzen untereinander vermeiden will, sei dahingestellt; aber hinter der von der Regierung in Marburg vorgetragenen Ablehnung eines Landrabbinats steht, wie sich später er weist, der Widerstand auch der Juden gegen eine Zentralinstanz in Kassel, der seine Ursache in erheblichen Glaubensdifferenzen und Vorbehalten gegen die dort vorherrschende liberale Richtung hat. Darin liegt - in Parenthese vermerkt -vermutlich auch der Grund, daß die niederhessische Regierung schon vor Erlaß der Verordnung im Alleingang mit dem Kasseler Vorsteheramt Verhandlungen aufnimmt,in die Pinhas sein Bildungskonzept gesondert einbringt, und die dazu führen, daß das Vorsteheramt bereits am 12.4.23 den Auftrag erhält, einen Schul plan "für die hiesige Residenz auszuarbeiten."23)

Mit dem Zugeständnis eigener israelitischer Schulen gibt die christliche Obrigkeit ein Instrument ihrer Erziehung ab und vertraut es den Juden selbst an. Noch 70 Jahre später urteilt der führende Schulmann der Israeliten, der Kasseler Seminardirigent und Vorsitzende der israelitischen Lehrerkonferenz Hessens, Dr. Jakob Stein: Diese "denkwürdige Verordnung ... ist fast die erste gesetzliche Regelung gewesen, welche das israelitische Schulwesen in deutschen Landen er fahren hat."24)

Sie löst die erste Welle von Schulgründungen aus. Aufgrund der genannten Vorverhandlungen genehmigt das Innenministerium für die Residenzstadt Kassel bereits am 14. Oktober 1824 die "Einrichtung einer eigenen israelitischen öffentlichen Schulanstalt ..., welche zugleich Musterschule für andere israelitische Schulen der Provinz und eine Obungsschule für künftige Lehrer werden soll." Die Schule hat zwei Abteilungen, von denen die zweite "angehende Lehrer zur Ertheilung eines zweckmäßigen Unterrichtes ... anweist und praktisch anführt."25) Zu "Ersten Lehrern" werden Moses Büdinger und Aron Rosenbach bestellt. Das bedeutet, daß für die Provinz Niederhessen auch die Frage einer planmäßigen Lehrer bildung geklärt ist. Auf dem Lande werden von 1824 bis 1833 18 Schulen errichtet, davon 3 in Oberhessen, 15 in Niederhessen, keine in Fulda und Hanau.26) W. Amram hat recht, wenn er die unterschiedliche Entwicklung darin sieht, daß die Provinzen Hanau und Fulda nicht zum Königreich Westfalen gehört haben.27) Sie haben an der geistigen, religiösen und politischen Wende nicht teilgenommen, die, von Jacobson initiiert, sich in den althessischen Gebieten fortsetzt; in Niederhessen ganz eindeutig von Pinhas vertreten, in Oberhessen etwas zwie spältiger aufgenommen.

 

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