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wesentlichen Punkten von dem in dem Kasseler Katalog beschriebenen ab. Die dort dargestellte kniende Frau ist völlig nackt, was dem Wesen der christlichen Tugend der Charitas widerspricht, die nur mit ent blößtem Oberkörper dargestellt zu werden pflegt; ferner ist sie nicht von 3, sondern von 4 Kindern umgeben, und neben diesen Kindern sind Eierschalen sichtbar — kurz, wir haben nicht eine Charitas vor uns, sondern Leda mit den 4 Zeuskindern, die eben aus den Schwaneneiern geschlüpft sind. Diesen Widerspruch erklärte Hummel, wie eine Notiz seiner Tochter auf der Rückseite der Gustineschen Zeichnung besagt, aus einer Restauration, bei der das vierte Kind und die Eierschalen zum Vorschein gekommen seien. H. nahm also an, daß das Bild ursprünglich Leda dargestellt habe, dann, bevor es nach Kassel verkauft wurde, durch Übermalung in eine Charitas verwandelt und später, nach seinem Verschwinden aus Kassel, von dieser Übermalung wieder befreit worden sei. Veröffentlicht hat H. diese Vermutung nicht, das geschah erst durch den Frankfurter Maler und Kunsthistoriker Passavant, der sich aber vermutlich auf Mitteilungen Hummels stützte, denn er selbst hat nach seiner eigenen Aussage weder das Kasseler noch das Haager Bild jemals gesehen. Durch Passavant hat diese Annahme von der Identität des einstigen Kasseler und des jetzigen Neuwieder Bildes Eingang in die kunstgeschichtliche Literatur gefunden, sie findet sich u. a. auch in den beiden Katalogen der Kasseler Galerie von Eisenmann (1888) und Gronau (1913). Von vielen wird sie allerdings mit einem gewissen Vorbehalt geäußert, eine genauere Untersuchung ist der Frage niemals gewidmet worden.

Diese Lücke in der kunstgeschichtlichen Literatur wird nun durch die eingehende und scharfsinnige Untersuchung Marx` ausgefüllt. Und Marx gelangt zu dem Ergebnis, daß das Neuwieder Bild nicht die Kas seler Charitas sein kann, daß dieser Ruhm vielmehr einem Gemälde zukommt, das bereits 1904 in Düssel dorf neben jenem ausgestellt war und im Katalog als eine „Wiederholung aus dem Bilde des Fürsten zu

 

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