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eigener Anträge handhabten, wurden sie begutachtend zu allen wichtigeren Staatsangelegenheiten herangezogen. Seit 1655 erscheint die Ritterschaft nicht mehr persönlich auf den Landtagen, sondern sie lässt sich durch Delegierte vertreten. Die Trennung in die drei Kurien der Prälaten, Ritter und Städte erhielt sich dauernd; abweichend von der Entwicklung in den meisten deutschen Staaten bleiben die hessischen Stände auch im 18. Jahrhundert in Wirksamkeit. Seit 1764 treten sie sogar alle sechs Jahre zusammen. König Jérôme läßt von den Ständen einen Delegierten wählen, der bei der Beratung der westfälischen Verfassung in Paris mitwirken sollte. Der rückkehrende Kurfürst beruft Ende des Jahres 1814 die Stände und zum ersten Male auch Vertreter des Bauernstandes zur Beratung einer Verfassung. Der 1816 vorgelegte Entwurf wird von ihnen im allgemeinen angenommen, aber am Ende scheiterte das ganze Verfassungswerk an der Weigerung des Kurfürsten, die Verfassung unter die Bürgschaft zweier deutschen Mächte zu stellen. Der Kurfürst regierte fortan ohne Zuziehung der Stände, ebenso Wilhelm II. seit 1821. Erst unter dem Drucke der Pariser Julirevolution läßt er sich im September 1830 aus Furcht vor einer allgemeinen Erhebung bewegen, die Stände wieder zu berufen und ihnen einen Verfassungsentwurf vorzulegen. Der von den Ständen gewählte Ausschuß, an dessen Spitze der Marburger Universitätsprofessor Jordan stand, gestaltete den Entwurf derartig um, daß eine wahrhaft konstitutionelle Verfassung entstand. Bedeutungsvoll war die Annahme des Einkammersystems. In dieser Volksvertretung saßen neben 11 erblichen, von der Ritterschaft gewählten und einem von den Professoren der Universität gewählten Abgeordneten 32 andere zur Hälfte aus allgemeinen Wahlen in Stadt und Land hervorgegangene Vertreter. Der Vortragende erörterte die Gründe, welche zur starken Bevorzugung der Städte mit ihren 191,000 Einwohnern gegenüber dem flachen Lande mit 537 000 Einwohnern führte. Alle mindestens 30jährigen Hessen (mit wenigen Ausnahmen) waren wahlberechtigt, die Wahl indirekt, die Wahl der Wahl- [Wahlmänner]

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