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hat in neuerer Zeit durch T h. Ilgen und Rud. Vogel eine treffliche Bearbeitung in der Zeitschrift für hessische Geschichte erfahren, durch die zum ersten Male Licht in die verwickelten Verhältnisse gebracht worden ist40). Während man früher die Ansicht hegte, das Kind von Hessen sei durch seinen Vetter Heinrich von Meissen um die Thüringer Erbschaft verkürzt worden, wissen wir jetzt, dass die Brabantiner durchaus keinen Anspruch auf jene erheben konnten, weil die Landgrafschaft vom Reiche zu Lehen ging, und Heinrich von Meissen als Sohn der Tochter weiland Landgraf Hermanns d. ä., d. h. als Mann, besseren Anspruch hatte als Sophia, des Sohnes Tochter, bezw. als Weib in gleichem Abstammungsgrade. So war es Lehnrechtsbrauch41). Darum hat sich auch Sophie von anfang an mit ihrem Vetter über die Erbschaft ganz ruhig vertragen, ja in der sog. Eisenacher Richtung, einem Vertrage vom Jahre 125042), hat sie ihm die Vormundschaft über ihren jungen Sohn und die Verwaltung der hessischen Lande bis zu dessen Volljährigkeit, nämlich bis zum Jahre 1256 anvertraut.

Bis hierher ist alles klar. Warum aber, so fragen wir, machte Heinrich der Erlauchte nicht auch Ansprüche auf Hessen, wenn er auf Thüringen das bessere Recht hatte? Die beiden Verfasser der kritischen Bearbeitung sagen, dass die westlichen Lande meist aus Allodial- d. h. erbeigentümlichem Besitz der weiland hessischen Grafen bestanden, und dass hier nicht die lehnsrechtlichen sondern die gemeindeutschen erbrechtlichen Bestimmungen Platz gegriffen hätten43). Hinsichtlich der Lande an der Lahn ist dies richtig: hier liegt thatsächlich eine weder vom Reiche noch von einem Reichsstand zu Lehen gehende, allodiale Herrschaft mit oberstrichterlicher Grafengewalt vor44). Anders aber verhält es sich mit Niederhessen. Wie wir wissen, ging die Comicia sive lantgericht Hassiae mit einer ganzen Reihe anderer Besitzstücke von Mainz, einiges auch von Fulda, anderes von Hersfeld zu Lehen. Warum sollte hier anders vererbt werden als in Thüringen? Die Verfasser der kritischen Bearbeitung geben uns hierauf keine Antwort. Und in der That liegt die Sache insofern nicht ganz einfach, als wir nicht mit Bestimmtheit sagen können, wer der letzte Erblasser in Hessen gewesen ist.

Heinrich Raspe IV., mit dem das thüringische Haus ausstarb, hatte noch einmal alle Besitzungen dieses Hauses in seiner Hand vereinigt, nachdem sein Neffe Hermann d. j., der einzige Sohn seines Bruders, des älteren Landgrafen Hermann, im Jahre 1242 gestorben war. Hermann d. j. aber hat von 1238 bis zu seinem Tode die hessischen Lande unzweifelhaft in seiner Verwaltung gehabt, wenn auch unter gewisser Oberleitung seines Oheims45). Demnach vererbte er diese Lande, Allodial- und Lehenbesitz, genau so auf seiner Schwester Sohn Heinrich das Kind, wie Heinrich Raspe die thüringer Besitztümer auf seiner Schwester Sohn Heinrich von Meissen. Nur so ist der Übergang erklärlich. Wäre Heinrich Raspe nach seines Neffen Hermann Tod (1242) auch mit der Grafschaft

 

 

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