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früheren aus Paris, Marseille und Montpellier datirt sind, bekunden einen durch die klassischen Alterthumsstudien gereiften Geist und sind, abgesehen von der vollendeten Form, ungleich mehr inhaltsreich als die der lateinischen Durchschnittsbriefsteller des späteren Humanismus. Die jener Zeit angehörigen lyrischen Ergüsse des Lotichius in elegischem Masse und anderen antiken Metren bekunden sämmtlich das lebhafteste Naturgefühl, ächten lyrischen Schwung und reges, gebildetes Interesse für das Culturleben der südländischen Völker. Die monumentale Pracht der römischen Weltherrschaft, wie sie in den grossartigen Bauresten, den Triumphbogen und Wasserleitungen im Lande der Troubadours veranschaulicht wird, begeistert ihn zu Elegieen, die ohne Uebertreibungen mit den schönsten des Propertius verglichen werden können, und die Sehnsucht hinwiederum nach dem Schatten der Buchenwälder und den saftigen grünen Matten an den Ufern der Lahn und der Kinzig begeistert ihn zu Versen von tibullischer Weichheit. Mit Tibull hat er überhaupt grosse Verwandtschaft. Lotichius stand selbstverständlich völlig auf Seiten der Reformation und machte auch als Soldat den schmalkaldischen Krieg mit. Seinen Gönnern Melanchthon und Micyllus verdankte er die Berufung als Professor der Medicin nach der Universität Heidelberg; und es war wohl vornehmlich die Pietät für seinen letztgenannten Lehrer, die ihn bewog, sogar die Berufung nach Marburg, welche bald nachher an ihn erging, auszuschlagen. Der Tod raffte ihn schon im 30. Lebensjahre 1558 hinweg; wie sein Biograph Hagen berichtet, starb er an den Folgen eines in Bologna ihm gereichten Gifttrankes, der einem anderen galt. Wie hoch schon die Zeitgenossen des In- und Auslandes das Dichtertalent des liebenswürdigen jungen Gelehrten schätzten, beweist eine Anzahl griechischer und lateinischer Dichtungen, zum Theil von den hervorragendsten Gelehrten der Zeit, die ihm sämmtlich die Palme der lateinischen Muse zuerkennen. Ihnen pflichtet auch Otto Jahn in den Aufsätzen über die Humanisten rückhatslos bei. Er ist wohl auch noch über den genialen hessischen Landsmann und Marburger Professor Eobanus Hessus zu stellen. Die elegische Epistel an Melanchthon: Flebilis a Nicro gelidum miraris ad Albim, desgleichen die auf Ulrich von Huttens Tod: Alloquor Hutteni manes cineresque poetae, die reizenden Hendekasyllaben: Ad puerum am Geburtstage Vergils: Ternas, i, puer ocius coronas, und die klangreichen sapphischen Strophen an die Nymphen: Fontibus, Nymphae, genus unde sacrum, geben in der Form den classischen Vorbildern wenig nach und stehen dem Geiste und Inhalte nach über den Alexandrinern.

Der Vortragende verflocht mit dem Hauptgegenstande eine Reihe von persönlichen Erinnerungen und Eindrücken aus den Bildungsstätten der beiden Lotichius, Oheim und Neffe, deren weitverzweigtes Geschlecht noch heute mit verschiedenen Modificationen des Namen, als Lotz,

 

 

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