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als Lehrer und Geistliche ausbilden zu lassen. Noch im Sommer desselben Jahres kam er dann selbst von Schlüchtern nach Marburg, besuchte die Professoren von seinen sieben „Pflänzlein“ und sah „was und wie gelehret und gelernet wurde.“ „Universitäten!,“ sagt der im 17. Jahrhundert in Marburg wirkende Professor Johann P. Lotichius, „invisit magna cum laude.“ Die segensreiche Wirksamkeit des wackern Mannes ist seiner Zeit von keinem Geringeren als von Melanchthon selbst gebührend gewürdigt und hervorgehoben worden; und dasselbe gilt von seinem hochbegabten Neffen, dem Dichter und Arzte, der seine akademischen Studien in Marburg begann. Er hat auch in Johannes Hagen einen begeisterten Biographen gefunden und es verlohnt sich wohl, von Zeit zu Zeit namentlich die Philologen unter unserer studierenden Jugend zum Studium der formvollendeten und inhaltsreichen lateinischen Dichtungen dieser interessanten hessisch-fränkischen Humanisten anzuregen. Gervinus urtheilt zwar in seiner „Geschichte der poetischen Nationalliteratur der Deutschen“. Leipzig 1838. Bd. 3, S. 77: „Wie war es ewig Schade, dass Huttens Vorgang, deutsch zu Dichten, so wenig Nachahmer fand unter den Gelehrten ! Es ist doch ein kleinliches Geschlecht, diese Büchermänner. Weil sie sich im 16. Jahrhundert im Deutschreiben alle vor Hans Sachs bücken mussten, so schrieben viele trotz dem dringendsten Bedürfnisse, und gerade die, welche die Dringlichkeit des Bedürfnisses am meisten empfanden, lieber Latein.“ Das Richtige aber trifft wohl gegenüber diesem wegwerfenden Urtheil über die humanistischen Lateindichter Goethe, der mit freierem Blicke und völliger Unbefangenheit behauptet: „Einer freieren Weltansicht, die der Deutsche sich zu verkümmern auf dem Wege ist, würde sehr zu Statten kommen, wenn ein junger Gelehrter das wahrhaft poetische Verdienst zu würdigen unternähme, welches deutsche Dichter in der lateinischen Sprache seit drei Jahrhunderten an den Tag gegeben. Es würde daraus hervorgehen, dass der Deutsche sich treu bleibt, und wenn er auch mit fremden Zungen spricht.“ (Kunst und Alterthum I, 3, 45). Dies gilt auch in vollem Masse von Petrus Lotichius Secundus.

Ausser dem hochsinnigen Schlüchterner Oheim übte noch auf die Geistesrichtung und das Können des hochbegabten Jünglings einen weitreichenden Einfluss auch der Unterricht und das Beispiel des Rektors des damals reugegründeten Gymnasyums zu Frankfurt am Main, Micyllus, dessen Andenken Johannes Classen wieder zu Ehren gebracht hat. Eine Reise nach Paris und durch das mittägige Frankreich in Begleitung einiger junger Edelleute aus der Kinzig- und Mainlandschaft, sowie durch Oberitalien regte die Phantasie des jungen Gelehrten auf das Mächtigste und gab die erste Anregung zu ernsterem Schaffen. In der alt ehrwürdigen Hochschule zu Bologna setzte er die auf den Universitäten Marburg und Leipzig betriebenen humanistischen und medicinischen Studien fort. Seine zahlreichen lateinischen Briefe in die hessisch-fränkische Heimath, worin er Marburgs und Schlüchterns in schwungvoller Sprache gedenkt, und die meistens aus Bologna und Padua, sowie die

 

 

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