..

27

II. Vortrag am 22. Juli 1893.

Der Vereinsvorsitzende gedachte zunächst des verstorbenen Geh.-Reg-Rathes Gymnasialdirectors Dr. Münscher, hob hervor, wie er sich um die hessische Geschichtsforschung und besonders um den Geschichtsverein verdient gemacht habe und forderte die Anwesenden auf, durch Erheben von den Plätzen des Abgeschiedenen ehrend zu gedenken. In der darauf folgenden Vorstandswahl wurden wiedergewählt die Herren: 1. als Vorsitzender Archivrath Dr. Könnecke, 2) als dessen Stellvertreter Oberst a. D. Nebelthau, 3) als Conservator Dr. Bickell, und 4) als Mitglied des Redactions-Auschusses an Stelle des verstorbenen Geheimen Regierungs-Rathes Dr. Münscher Professor Dr. Schröder. Der darauf folgende Vortrag des Herrn Dr. Kretzschmar behandelte »die Jugendzeit des als hess. Minister 1680 gestorbenen Joh. Caspar v. Dörnberg.«

Das ausserordentlich reiche Familienarchiv der v. Dörnberg, welches vor einigen Jahren im hiesigen Staatsarchiv deponirt und damit der wissenschaftlichen Forschung zugänglich gemacht wurde, enthält Tagebücher von ihm und seinem Vater, sowie eine Anzahl von Briefen, die ein helles Licht über die Periode seiner Entwickelung verbreiten. Es war ein Bild aus dem 30jährigen Krieg, welches das Leben jener Tage mit allen seinen Interessen, Bestrebungen und Nöthen an dem Beispiele einer hervorragenden Adelsfamilie vorführte und von den grossen allgemeinen Staatsactionen absah. Die Kenntnis gerade dieses Kleinlebens führt uns anschaulich die Cultur und das Empfinden einer Epoche vor Augen, und es wäre sehr zu wünschen, dass das Beispiel der v. Dörnberg’schen Familie, welche sich mit der Erschliessung ihres Archives ein grosses Verdienst um die hessische Geschichte erworben hat, noch vielen anderen Familien ein Vorbild würde. Johann Caspar wurde 1616 auf dem Herzberg geboren; er erhielt zunächst seinen Unterricht in Hausen und Kassel mit einigen Verwandten von Praeceptoren in den Elementar- und humanistischen Fächern; mit dem 15. Jahre begann das Studium der Jurisprudenz, zunächst in Fulda, dann auf der Hochschule in Kassel. 1637 schickte ihn sein Vater der Sitte der Zeit gemäss auf die Universität Leyden, trotz der grossen Sorgen, welche ihm die Kosten verursachten. Leider hinderten Krankheiten Johann Caspar an einem ernsten Studium, so dass die Reise ein Miserfolg war. Dies, sowie viel Unglück im Hause, Kriegsnöthe und ärgerliche Streiche seines Sohnes, die dem strengen und gewissenhaften Sinne des Vaters höchst zuwider waren, liessen es nach der Rückkehr Joh. Caspars zu Differenzen zwischen beiden kommen, die bei dem hartnäckigen und heftigen Character beider sehr scharf zum Ausbruch kamen. Um sich selb- [selbständig]

 

..

 
 
vorherige Seite  -  zurück  -  nächste Seite