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[Etsch]landes zum Mittelgebirg empor, so finden wir unser Deutschland wieder: kühlende Lüfte, frische Quellen und helle Laubwälder. Hier streitet der Himmel für uns und wenn im gewöhnlichen Lauf der Dinge zu befürchten steht, daß die Thalsohle sich mit dunkeln Italienern füllt, so wird im Mittelgebirg noch lange, hoffentlich für immer, die deutsche Sprache erklingen. Verdient nun schon aus diesen Gründen dieser vorgeschobne Posten deutschen Lebens unsere Aufmerksamkeit, so hat er für uns noch ein besonderes Interesse, wenn wir hören, daß dieser Strich das Rökelngebirg oder das Hessenland genannt wird. Mit einer flüchtigen Schilderung des Hessenlandes verbinde ich das Wenige, was zur Erklärung dieses Namens beitragen könnte.

Vier Dörfer sind von den „Hessen“ bewohnt: Deutschenofen, Egenthal, Aldein und Radein. Unter dem Einfluß der italischen Nachbarschaft sind die Häuser Deutschenofens meist von Stein, ja sie tragen nach wälscher Weise in der Mitte des ersten Stockes nicht selten zwei durch eine Säule getrennte Rundbogenfenster. Doch war man bemüht, wenigstens auf der Rückseite die Holzgallerieen anzubringen, welche man im deutschen Tirol Lauben oder Solder ( verwandt mit Söller) zu nennen pflegt. Auf der untersten Gallerie war ein Käskorb angebracht, - der einzige, den ich bei langem und häufigem Aufenthalt in Tirol bemerkt habe. Auch fiel mir auf, daß die Treppe im ersten Stock durch eine Lattenthüre abgeschlossen war und daß sich ebendort mehre Gefache und Wandlöcher vorfanden. Uebrigens bildet nur eine mäßige Häuserzahl einen festen dorfartigen Kern um Kirche und Schulhaus; die meisten Wohnungen dagegen liegen zerstreut in der Mitte der dazu gehörigen Felder und Wiesen. Die Kirche ist dem heiligen Ulrich geweiht, dem man sonst in Tirol nicht häufig begegnet. Auf den Grabmälern des Kirchhofs las ich nur deutsche Namen.

Die Bevölkerung von Deutschenofen besteht in 1300 Menschen. Wenn sie in der letzten Zeit stationär blieb oder sogar zurückging, so liegt dieß in allgemeinen Ursachen, welche auf Oesterreich drücken, und in der speziellen Ursache, daß der Holzhandel dieser Waldgegend in der letzten Zeit hart gelitten hat. Mußte sonst ein Bauer eine größere Ausgabe bestreiten wie etwa einen Neubau, so schlug er sofort

 

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