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1989, hier an diesem Platz vor zwei Jahren bei den Deutschen in Ost und West diagnostizierte. Wobei er übrigens mit Recht darauf hinwies, daß Identität durch vieles entstehen kann: durch Tradition, durch Religion, durch Konvention und anderes, nicht zuletzt auch durch Nation; aber auch nationale Identität sei nicht eigentlich eine staatliche Angelegenheit, sondern in erster Linie eine des Geistes, eine der Kultur, so daß sie sich auch bei einem - damals noch ganz hypothetischen - Wegfall der Mauer nicht schon als Folge der staatlichen Einheit automatisch einstellen werde, sondern geistig errungen werden müsse. Wie prophetisch dieses Wort war, hat wohl jeder erfahren, der häufiger in den neuen deutschen Bundesländern unterwegs ist.

Diesem Defizit an Identität versuchen immer mehr Menschen mit Fragen, auch mit Infragestellen ihrer ganz persönlichen, eigenen Geschichte, nicht minder ihrer regionalen und unserer deutschen Geschichte abzuhelfen, um so etwas zu gewinnen, das dieser Herausforderung besser standhalten kann. Und die dabei auch auf der Suche sind nach nicht nur "geltenden", sondern weiterhin "gültigen" Werten aus der Vergangenheit und unserer Volkskultur.

Was diesen Weg so fruchtbar gemacht hat, daß offensichtlich immer mehr Menschen ihn akzeptieren und zu Museumsbesuchern geworden sind, scheint mir darin zu liegen, daß zwar alle Museen, auch die kleinsten, sich natürlich noch immer an wissenschaftlichen Maßstäben und Fachdisziplinen zu orientieren haben, also durch exemplarische Objekte aus Natur und Kultur über Entstehung, Entwicklung und Wandlungen der Lebensformen, Lebensbedingungen und über kulturelle Leistungen nach heutigem wissenschaftlichen Erkenntnisstand informieren, daß sie sich aber im Hinblick auf die Erwartungen ihrer Mitbürger - nicht zuletzt der Jungen, die auf der Suche nach einem neuen Selbst- und Geschichtsverständnis sind - auch um Belege dafür bemühen,

 

     - wie und wovon Menschen an diesem Ort oder in dieser Region gelebt haben,

     - wie sie miteinander und mit der Natur umgegangen sind,

     - welche Ordnungen sie sich geben und welche ihnen aufgezwungen wurden,

     - was die hier lebenden Menschen in bestimmten Zeiträumen - die von der Steinzeit bis zur Gegenwart reichen können - geschaffen, geleistet, zerstört,

     - was sie anderen angetan, selbst erduldet und wie sie überlebt haben,

     - was sie liebten, was sie glaubten und erhofften, welche künstlerischen oder geistigkulturellen Werke sie schufen, welche Gedankengebäude sie errichteten,

     - und was wir daraus für unseren eigenen Weg lernen könnten.

 

Sie sehen, wie weit das von Blut- und Boden-Romantik, vom Bild der "Bewahranstalten für Antiquitäten" entfernt ist, können sich aber auch vorstellen, wie schwer sich das realisieren läßt, ohne dabei in dogmatische Manipulation, neue Verklärungsversuche oder überhaupt einseitige Darstellungen und Gängelung zu verfallen, sondern auf Tatsachen zu beschrän ken, die durch Objekte und Forschung belegt werden können.

 

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