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allen Provinzen der Republik. Die Prinzenwitwe kann sich nun verstärkt anderen gesellschaftlichen Problemen zuwenden. Für Witwen, Waisen und Arme wird noch zuwenig getan. Sie läßt sich von den Leitern der Waisenhäuser informieren und sucht Möglichkeiten, um Jungen und Mädchen an einen Arbeitgeber oder in einen Haushalt zu vermitteln. Maria Louise gibt den ersten Anstoß zur Unterstützung von Witwen gefallener Soldaten. Sie dringt auf soziale Reformen. Das ungerechte Steuer- und Wahlsystem muß verändert werden.

Gicht und Rheuma fesseln sie an eine Sänfte. Kinder tollen um die Sänfte und rufen in Sprechchören "Marijke Muoi! Marijke Muoi ", bis sie die ledernen Gardinen beseite schiebt und ruft: Kinder, lauft schnell nach Haus! Eure Mutter backt Pfannkuchen. Die Jugend wendet sich zum Princessehof, wo sie von "ihrer" grauen Mutter die versprochenen Pfannkuchen bekommt. Tante Marijke mit ihrem schwarzen Kleid wird wegen ihres philantropischen Werks geliebt.

 

Leichenrede

Nach dem Tod ihres Sohnes (1751) und ihrer Schwiegertochter (1759) nimmt Maria Louise die Statthalterschaft (nur in Friesland) für Wilhelm V. wahr. Den Rest der Provinzen betreut der Herzog von Braunschweig-Lüneburg als Stellvertreter. Der dicke Herzog hält die Großmutter stets über die Erziehung ihres Enkels auf dem laufenden. Er berät sie hinsichtlich der Konfirmation von Wilhelm. Maria Louise, empfänglich in religiösen Dingen, kommt mit dem Braunschweiger gut aus. Sie durchschaut aber nicht, daß das Braunschweiger Schwein dabei ist, Reichtum zu erwerben und seiner deutschen Familie und Freunden einflußreiche Posten in der Republik zu verschaffen. Obwohl sie sich nach einem leichten Schlaganfall wieder gut erholt, erlebt Maria Louise nicht, daß Wilhelm V. 1766 die volle Statthalterschaft antritt. Am 6. April entschläft sie sanft und ruhig, morgens um fünf Uhr. Ihr Leichnam wird am 13. Juni im Familiengrab der friesischen Nassauer beigesetzt. Pastor J. H. Schrader hält einen Tag nach dem Begräbnis in der Jacobijnen-Kirche von Leeuwarden eine Leichenrede über Offenbarung 14, Vers 13: Und ich hörte eine Stimme vom Himmel zu mir sagen: Schreibe: Selig sind die Toten, die im Herrn sterben von nun an. Ja, spricht der Geist, sie sollen ausruhen von ihren Mühen, denn ihre Werke begleiten sie.

  

 

    

Rainer Polley

ERSTE PROBLEME MIT DER NEUEN LANDESVERFASSUNG

 

Nach ihrem § 156 mußte die kurhessische Verfassungsurkunde vom 5. Januar 1831 ohne Verzug von allen Staatsdienern des geistlichen und weltlichen, sowohl des Militär- als Civil-Standes, sowie von allen Unterthanen männlichen Geschlechts, welche das achtzehnte Jahr erreicht haben, beschworen wer- [werden]

 

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