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Rainer Polley

ERSTE PROBLEME MIT DEN NEUEN LANDESFARBEN

In dem Patent wegen Besitznahme des vormaligen Kurfürstentums Hessen vom 3. Oktober 1866 hatte König Wilhelm I. von Preußen unter anderem verfügt:

Wir befehlen, die Preußischen Adler an den Grenzen zur Bezeichnung Unserer Landesherrlichkeit aufzurichten, statt der bisher angehefteten Wappen Unser Königliches Wappen anzuschlagen und die öffentlichen Siegel mit dem Preußischen Adler zu versehen.

Zur Ausführung dieses Patents erging am 5. Oktober 1866 auf Anweisung des Administrators des vormaligen Kurfürstentums Hessen ein Erlaß des in Liquidation begriffenen kurhessischen Ministeriums des Innern an alle nachgeordneten Regierungen, worin auch bestimmt wurde, daß an Stelle der hessischen Landesfarben an allen öffentlichen Hoheitszeichen die preußischen Farben anzubringen seien (StAM, Best. 16 Rep. II, Kl. 1a, Nr. 14). Dieser vielleicht zu allgemein gefaßte Erlaß veranlaßte folgenden denkwürdigen Bericht der Regierung Fulda vom 15. Oktober 1866 (StAM, wie oben), bei dem man Zweifel haben kann, ob hier Übereifer oder versteckte Ironie am Werke waren:

Königliche Administration in Kurhessen, Abtheilung des Innern! Die Regierung zu Fulda berichtet in Betreff der Umänderung der Landesfarben an den zu ihrem Ressort gehörenden Wegweisern, Orts- und Grenztafeln etc. etc. der Landstraßen und öffentlichen Wege. Zu Nr. 8905 Protokoll des Innern.

Bei Vollziehung der durch hohes Rescript vom 5. dieses Monats angeordneten Umänderung der Landesfarben an den oben erwähnten Gegenständen ist bei uns angefragt worden, ob besagte Umänderung auf den Wechsel von roth und weiß in schwarz und weiß dergestalt zu beschränken sei, daß nur die jetzt bestehende rothe Einfassung oder Verzierung der hauptsächlich weiß angestrichenen Gegenstände in schwarz verwandelt oder ein bandartig gewundener Anstrich von schwarz und weiß substituirt werden solle.

Da eine gewisse Gleichförmigkeit bezüglich jener öffentlichen Zeichen etc. etc. sachgemäß erscheinen dürfte, so erlauben wir uns um deshalbige nähere Bestimmung zu bitten.

Die an den Landstraßen hiesiger Provinz angebrachten Ortsnamentafeln sind dermalen mit weißer Schrift auf rothem Grunde verschen; statt dessen möchte wohl schwarze Schrift auf weißem Grunde mit schwarzem Rande anzuwenden sein.

Fulda, am 15. Oktober 1866.

Haller. Althaus. Schulz,

vidit Beckmann.

Die Regierung wurde durch Beschluß vom 19. Oktober 1866 wie folgt beschieden (StAM, wie oben): Es wird vorerst genügen, die bisherige Art des Anstrichs beizubehalten und statt des Roth Schwarz zu substituiren. Hinsichtlich der Ortstafeln an den Chausseen etc. nach dem Antrage.

Welch sonderbarer Gang der Geschichte, daß die Farben Rot und Weiß im heutigen Bundeslande Hessen wieder zu Ehren gekommen sind und so die große Mühe der Umstellung damals mehr oder weniger "für die Katz" gewesen ist!

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