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meln [sammeln]. Unumgänglich wird eine Entscheidung schließlich, als Dr. Ro-mann 1843 stirbt und auch Dr. Leviseur, wohl aus Verärgerung darüber, daß er trotz seiner Bewerbung nicht zum Zuge kommt, 1844 auf eine gut dotierte Stelle als Religions- und Französischlehrer an die Realschule wechselt und der ganze Schulbetrieb auf den Schultern Lessongs lastet, dem einige Hilfslehrer beigeordnet werden.

Da erweist sich als Retter in der Not der Rabbinats-Kandidat Stein. Er ist ehemaliger Zögling der Lehrerbildungsanstalt, hat dort die Befähigung zum Lehrfach nachgewiesen und soeben in Marburg die akademische Rabbinatsprüfung bestanden. Damit erfüllt er alle Voraussetzungen, an die die Stelle Büdingers gebunden ist. Er ist bereit, für 150 Rthl. zu arbeiten, allerdings mit dem Vorbehalt, daß er "es auf keine bleibende Verwendung absieht." 1845 wird er eingestellt, für 3 Jahre hat das Seminar wieder zwei qualifizierte Lehrer, dann geht Stein als Rabbiner nach Köln. Die Stelle wird erneut ausgeschrieben, aber nicht besetzt, bis ein neuer Landesrabbiner berufen ist.

1852 kommt der neue Landesrabbiner Dr. Adler und übernimmt die Leitung der Anstalt. Das Vorsteheramt hält diese Lösung zunächst auch für ausreichend, will aber, nachdem Anträge auf Staatsmittel und landesweite Ausdehnung bei den Behörden wieder auf taube Ohren gestoßen sind, die Stelle eines ordentlichen Lehrers ausschreiben.

Die Ausschreibung wird überflüssig, als Dr. Leviseur sich bereiterklärt, an das Seminar zurückzukehren, wenn ihm sein jetziges Gehalt garantiert wird. Er hat erkannt, daß er "als Israelit an einer christlichen Lehranstalt eine ordentliche Lehrerstelle nicht erhalten würde," obwohl ihm Rektor und Schulbehörde ein vorzügliches Zeugnis ausstellen. "Derselbe besitzt neben einer guten allgemeinen wissenschaftlichen Bildung eine gründliche grammatische Kenntniß der französischen Sprache und spricht dieselbe geläufig, elegant und mit gutem Accent, wozu noch kommt, daß er auch die deutsche Sprache wissenschaftlich kennt, viel methodisches Geschick besitzt, im Unterricht geübt ist und bei den Schülern sich in Achtung zu setzen weiß."30) 1854 kommt er zurück, so daß die Lehrerbildung mit Dr. Adler und zwei ordentlichen Lehrern wieder gut funktionsfähig ist.

Da stirbt 1858 Lessong, dem der Oberschulinspektor Dr. Herwig kurz vorher noch bescheinigt hatte, er sei "ein wohlunterrichteter Mann, der ... seinen Beruf (trotz vorgerückten Alters) mit Ernst und Gewissenhaftigkeit ausübt."31) Acht Jahre dauert es, bis 1866 ein zweiter ordentlicher Lehrer berufen wird: Dr. Jakob Stein; sein Wirken gehört aber schon in die zweite Epoche der Lehrerbildungsanstalt.

Ob der Lehrplan jemals in der beabsichtigten Form eingehalten worden ist, läßt sich nicht genau feststellen. Vermutlich hat anfangs Dr. Rubino, ein Freund Moses Büdingers, tatsächlich Lateinunterricht erteilt. Mit seiner Berufung als Geschichtsprofessor in Marburg wird aber kaum noch ein kompetenter Lehrer dafür vorhanden gewesen sein. Von Büdinger selbst und nach seinem Tode ausgearbeitete Lehrpläne zeigen, daß formal der ganze Kanon der Fächer erhalten bleibt, inhaltlich aber einige Abstriche gemacht werden müssen. Latein allerdings, auf das die Gründer der Anstalt so gesteigerten Wert gelegt hatten, erscheint schon bald gar nicht mehr, wohl aber "Pädagogik, Katechetik, Klavier- und Geigenspiel," 32) eine Annäherung also an die staatlichen Seminare. Der Lehrplan hängt natürlich eng mit der Lehrerbesetzung zusammen. Die Wechselwirkung durchzieht die ganze Geschichte des Seminars. Ministerium und Regierung, die alle

 

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