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eine simultane Lehrerbildung in der Universitätsstadt zu installieren, war schon am 19. Mai 1824 vom Innenministerium dahingehend beschieden worden, "daß es nicht die Absicht sey, ein israelitisches Seminar mit dem christlichen zu verbinden."5) Gegen die Ausbildung reiner Religionslehrer habe es allerdings nichts einzuwenden. Ob das Ministerium schon zu dem Zeitpunkt mit der Kasseler Initiative sympathisierte, ist nicht nachzuweisen, aber bei der örtlichen Nähe zu Provinzregierung und -vorsteheramt, vor allem aber zu dem dort wirkenden Jakob Pinhas anzunehmen.

Jedenfalls hatte das Kasseler Vorsteheramt schon vor dem Erscheinen der Verordnung im Frühjahr 1823 Verhandlungen über eine Schulgründung mit Lehrerbildung in Kassel gepflogen und, sich darauf beziehend, am 11. Juni 1824 bei der Regierung beantragt, in Kassel eine "Spezialschulanstalt" errichten zu dürfen, "welche in zwei Hauptklassen, eine obere und eine untere, in Bezug auf den steigenden Gehalt des Unterrichts geschieden seyn, und mit der oberen Klasse zugleich mittelst einer Abtheilung eine Anstalt für die zweckmäßige Bildung tauglicher Subjecte zu israelitischen Lehrerstellen verbunden werden könnte."6) Sie würde

    - die religiöse und bürgerliche Erziehung der israelitischen Kinder der Residenzstadt besorgen;

    - als "Musterschule" beispielgebend für Schulgründungen in der Provinz wirken;

    - eine "Pflanzenschule" für israelitische Jugendlehrer bilden und geeignete Knaben "zu höherer Bildung vorbereiten."

Dem Antrag beigefügt waren: Umrisse eines Lehrplans, Verwaltungsbestimmungen, Kostenanschläge und als Personalvorschlag vier Lehrer, darunter namentlich Moses Büdinger als Inspektor der ganzen Anstalt, und Aron Rosenbach. Beide waren in Kassel als tüchtige Lehrer bekannt.

Obwohl dieser Antrag mit der Lehrerbildung über den rechtlich gesetzten Rahmen der Verordnung hinausgegangen war, hatte die niederhessische Provinzregierung ihn an das Innenministerium weitergegeben mit der Begründung, daß die christlichen Schulen überfüllt seien, der Religionsunterricht für jüdische Kinder von Hauslehrern planlos erteilt werde, "eine praktische Bildungsanstalt für angehende Lehrer" ganz fehle, und demnach "alles Unterrichtswesen... dem Zufall und der Willkür überlassen (bleibe)." Diesen Argumenten hatte sich das Ministerium des Innern nicht verschlossen und den einleitend zitierten Beschluß gefaßt.

Die treibende Kraft war der führende Kopf der Kasseler Gemeinde Dr. Jakob Pinhas gewesen, der im Bunde mit dem ihm befreundeten Privatlehrer Moses Büdinger ein einheitliches israelitisches Bildungswesen für den ganzen Kurstaat geplant hatte. Jetzt hatten sie ihr lange angestrebtes Ziel erreicht und diesem Plan eine eigene Lehrerbildung eingefügt. Sie gilt zwar nur für Niederhessen, aber beide erwarten eine grenzüberschreitende Wirkung auf die anderen Provinzen. Sofort werden in Kassel die Vorbereitungen aufgenommen, die genannten Auflagen zu erfüllen. Einhellige Begeisterung lösen sie in der Kasseler Judenschaft nicht aus. Der anzuhörende Vorsteher protestiert beim Innenminister gegen die damit verbundenen Kosten; öffentliche Schulen seien genügend vorhanden, und außerdem würden die Privatlehrer brotlos. In ihrem Begleitkommentar an das Ministerium bittet die Provinzregierung, den Protest abzulehnen, da der Sinn der Anstalt ja gerade darin läge, daß sie die meist ausländischen Privatlehrer "von hier forttreibt... und so die einer planmäßigen Lehrweise hinderlichen Winkelschulen ausschließt." Das Innen- [Innenministerium]

 

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