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2.3  Jörg Kammler: Forschungen im Rahmen der IAG "Nationalsozialismus in Hessen"

 
Meine Untersuchungen zur Regionalgeschichte des Nationalsozialismus in Nord hessen/Hessen beziehen sich auf drei Schwerpunkte:

  1. Entwicklung, Struktur und Praxis des NS-Repressionsapparates, mit den Schwerpunkten Gestapo und politische Strafjustiz,
  2. Verfolgung und Widerstand,
  3. Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts.

zu 1.: Zur Analyse der Entwicklung und Verfolgungspraxis der Staatspolizeistelle für den Regierungsbezirk Kassel (Gestapostelle Kassel) konnte auf einen größe ren geschlossenen Quellenbestand - sieht man einmal von den Lageberichten und Ereig nismeldungen für die Jahre 1934/35 ab - nicht zurückgegriffen werden. Die in zwischen abgeschlossenen umfangreichen Materialsammlungen erstreckten sich daher auf sehr heterogene Archivbestände (u.a. Akten des Kasseler Polizeipräsidenten, Regierungspräsidenten, der nordhessischen Landratsämter, Justizakten, SS-Personalakten, Akten von Nachkriegsprozessen gegen frühere Angehörige der Gestapostelle Kassel, Hinweise in Entnazifizierungsakten). Über die bisher vorgelegten Ergebnisse2) hinaus ist eine abschließende Darstellung geplant, die neben der Organisationsentwicklung insbesondere auf die Analyse der unterschiedlichen Dimensionen und Funktionen der Repressionspraxis der Gestapo sowie auf die Untersuchung des Gestapopersonals (Karrieremuster etc.) abzielt. Ebenfalls ausgehend von einer sehr schwierigen Quellenlage wurde eine umfangreiche, ca. 400 Verfah ren gegen ca. 2.500 Personen umfassende Materialsammlung zur politischen Straf justiz des Oberlandesgerichts und des Sondergerichts Kassel in den Jahren 1933-1945 angelegt, die bisher vor allem für die Darstellung der NS-Verfolgung im Raum Kassel ausgewertet werden konnte3). Eine Untersuchung dieses Bereichs der gerichtlichen politischen Verfolgung unter den Aspekten Spruchpraxis, politische Delikte, Verfolgtengruppen und typische Verfolgungsschicksale, Strafmaß, Verhält nis von Justizstrafen und außergerichtlicher Verfolgung etc. wird vorbereitet.

  
zu 2.: Im Bereich des Widerstandes gegen das NS-Regime wurden für den Raum Kassel zum einen der organisierte Widerstand der illegalen Arbeiterbewegung sowie Formen der Opposition und Verweigerung in der Arbeiterschaft untersucht4), zum anderen - im Rahmen eines eigenständigen Projekts - Akte der Verweigerung, der Opposition und des manifesten Widerstandes unter Kasseler Soldaten während des Weltkrieges5). Diese Arbeit war verbunden mit dem - 1987 realisierten - Vorhaben

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2) Vgl. hierzu J. Kammler: Nationalsozialistische Machtergreifung und Gestapo - am Beispiel der Staatspolizeistelle für den Regierungsbezirk Kassel, in: Eike Hennig (Hrsg.): Hessen unterm Hakenkreuz, Frankfurt/M. 1983, S. 506-533; J. Kammler/D. Krause-Vilmar (Hrsg.): Volksgemeinschaft und Volksfeinde. Kassel 1933-1945, Bd. 1, Fuldabrück 1984, S. 273-337. Verwiesen sei auch auf die aus dem Projekt hervorgegangene Arbeit von Michael Jäger: Gestapomord in Kassel-Wehlheiden. Karfreitag 1945. Erinnerung an ein vergessenes Verbrechen aus den letzten Tagen der NS-Herrschaft, Kassel 1987.

3) Vgl. J. Kammler: Widerstand und Verfolgung - illegale Arbeiterbewegung, so zialistische Solidargemeinschaft und das Verhältnis der Arbeiterschaft zum NS-Regime, in: W. Frenz/J. Kammler/D. Krause-Vilmar (Hrsg.): Volksgemein schaft und Volksfeinde. Kassel 1933-1945, Bd. 2, a.a.O., S. 325-387

4) Vgl. J. Kammler: Zur historischen Ausgangslage des Arbeiterwiderstandes: Die Kasseler Arbeiterbewegung vor 1933, in: W. Frenz/J. Kammler/D. Krause-Vilmar (Hrsg.): Volksgemeinschaft und Volksfeinde. Kassel 1933-1945, Bd. 2, a.a.O., S. 291-324; J. Kammler: Widerstand und Verfolgung, a.a.O.

5) Vgl. J. Kammler: "Ich habe die Metzelei satt und laufe über ..." Kasseler Soldaten zwischen Verweigerung und Widerstand (1939-1945). Eine Dokumenta tion, Mitarbeit: Marc Poulain, Fuldabrück 1985

 

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