..

-11-

 

Nr. 11, S. 18 ff.) erweitern, aber eher mit dem Ziel, sie über das "ridendo dicere verum" [=durch Lachen die Wahrheit sagen] zu einem versöhnlichen Abschluß zu bringen. Das sind wir - so meine ich - dem kurfürstlich hannoverschen Obersten a.D. und hessen-kasselsehen Landrat der Grafschaft Schaumburg Wilhelm Werner Heinrich von Münchhausen (1715-1788), dem Bruder des berühmten "Lügenbarons", schuldig, der sich zu Beginn des Jahres 1778 mit folgendem bemerkenswerten Bericht an Landgraf Friedrich II. von Hessen-Kassel wandte (StA Marburg, Best. 5 Nr. 816):

Rinteln, den 8ten Januar 1778

Der Landrath Ob[rist] von Münchhausen thut unterthänigste Vorstellung wegen der binnen Abwesenheit ihrer Männer sich vergangenen Soldatenweiber.

Durchlauchtigster Landgraf, gnädigster Fürst und Herr!

Es verlautet, daß verschiedenen Soldatenweibern die Abwesenheit ihrer Männer in America in der Länge zur Last geworden, und es steth zu besorgen, daß, wan sie die indes genoßene Schadloshaltung nicht länger zu verbergen imstande sind, wegen der alhier gewöhnlichen und in altern Zeiten darauf gesetzten harten Straffen bewogen werden, sich außer Landes ihrer Bürde zu entledigen, zumahlen in denen an uns grentzenden königlich preußischen Landen überhaupt die delicta in puncto sexuali gelinder behandelt werden und sogar eine Person, so einen Sohn zur Wellt bringet, noch Überhin mit fünff Reichsthalern belohnet wi rd.

Da nun aber bey dieser Situation Ewer hochfürstliche Durchlaucht viele Unterthanen beyderley Geschlechts verlieren könten, so hielte unterthänigst vor dienlich, diesen übel so viel möglich vorzubeugen, wozu aber kein sicherer Mittel sehe, als wan Ewer hochfürstliche Durchlaucht gnädigst geruheten, Gnade vor Recht ergehen zu laßen und mithin denen Beamten oder dem foro, worunter diese delinquirende Personen stehen, unter der Hand aufgegeben würde, dergleichen Vergehungen zu ignorieren.

Meines geringen Davorhaltens könte dieses auch keine Übeln Folgen haben, da bey andern Weibern nicht so trifftige Entschuldigungen, wie bey diesen armen Soldatenweibern (so ihre Männer nicht mahl, wie in vorigen Kriegen geschehen können, wenigstens in denen Winterquartiren zu besuchen imstande gewesen) obwalten und erstere sich also auf diese gnädige Conniventz [=Konvenienz] nicht beruffen können, auch überhie der gewöhnliche Vorwand, als wenn bey abzuschaffender Bestraffung dem Laster die Thür geöffnet würde, hier gar nicht anreichend finde.

Ewer hochfürstliche Durchlaucht werden also gnädigst verzeihen, wan hiedurch diese ohnehin zum Theil nothleidende Geschöpfe Hochdenenselben zu Füßen lege, auch übrigens höchsten Ermessens die hierauf zu nehmende Maßregeln unter thänigst anheimstelle, womit zugleich in tiefster Ehrfurcht beharre,

Ewer hochfürstlichen Durchlaucht untertänigster

W[ilhelm] W[erner] H[einrich] von Münchhausen [manu propria].

[=eigenhändig]

Der alte Offizier und Landrat wollte wohl nur seinem gutmütigen Herzen Ausdruck verleihen, als er sich mit Blick auf die ehelichen Notstände in seinem Sprengel den Bericht von der Seele schrieb. Eher unbewußt hatte er jedoch mit jedem Satz eine pointierte, ja ironisch provozierende Sozialkritik geliefert, mit der er seinem Landesherrn einen Spiegel vor das Gesicht hielt, ohne daß es hier auf den Wert oder Unwert der hohen Subsidienpolitik ankäme. Der Beschluß des Geheimen Rats in Kassel vom 10. Februar 1778 zeugte von der Entrüstung, die man höheren Orts über den allzu freimütigen Landrat und sein zu Füßen des Landesherrn gelegtes Danaer-Geschenk aus Fleisch und Blut empfand:

"Dieser in alle Wege ohnstatthaffte Antrag findet keinen Platz."

---

 

..

 
 
vorherige Seite  -  zurück  -  nächste Seite