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"Büdinger stand," schreibt Amalie Weil, "der kärglich dotierten Schulanstalt mit einer Aufopferung seiner Kraft vor, die Jedweden in Erstaunen setzte. Auch ward die Anstalt bald sehr besucht, da auch die Wohlhabenderen ihre Kinder hinsandten. Das Gedeihen der Anstalt war seine Freude."33)

Aber die Hoffnungen, die Büdinger und Pinhas gehegt hatten, die Schul- und Schullehrerbildungsanstalt werde sich zu einer Art Volks- und Realschule entwickeln, aus der der Nachwuchs nicht nur für den Rabbiner- und Lehrerberuf, sondern auch der für anspruchsvollere Gewerbe hervorginge, geht nicht in Erfüllung. Sie können nicht verhindern, daß die "Schulanstalt" auf die Stufe einer Volksschule zurücksinkt, weil, wie Büdinger in einer 1828 verfaßten und 1831 veröffentlichten Druckschrift beklagt, "viele israelitische Eltern, besonders wohlhabende und reiche, mit einer besonderen Zuversicht (wähnen), daß ihre Kinder einen größeren Werth haben, wenn sie dieselben in christliche Schulen mit den Kindern der gebildeteren Stände erziehen und unterrichten lassen," und "weil sie... ihre Kinder nicht mit den ärmeren und ungebildeteren in die Schule schicken wollen."34) Er appelliert an das Gewissen seiner Glaubensgenossen, dem in liberalen jüdischen Kreisen um sich greifenden religiösen Indifferentismus zu begegnen, indem er die Bedeutung besonderer israelitischer Schulen für Kultus und Erziehung hervorhebt - vergeblich!

In organischem Zusammenhang mit dem Seminar bleibt die Elementar- oder Volksschule insofern, als sie weiterhin als Übungsschule für die Seminaristen dient und Büdinger einen großen Teil des Unterrichts bestreitet.

Inzwischen hat er 1827 mit Amalie Weil die Ehe geschlossen, aus der ein Sohn, Max, hervorgeht, der später die Neuauflagen der väterliche Bibel besorgt und, als ihm die Deutschen Hochschulen einen Lehrstuhl verweigern, als Professor für Geschiente an den Universitäten in Zürich und Wien wirkte. Mit dem spärlich bemessenen eigenen und den Einkünften seiner Frau aus einem kleinen Mädchenpensionat hat die Familie bei bescheidenen Ansprüchen "stets (ihr) reichliches Aus kommen."35)

Büdinger ist in den jüdischen intellektuellen Kreisen etabliert; zu seinen besonderen Freunden zählt er neben Jakob Pinhas auch den gelehrten Mathematiker, Physiker, Astronomen und gleichzeitig feinsinnigen Kenner der Literatur und Kunst, Jeremias Rothfels, der 1868 dem Seminar ein eigenes Haus stiften wird.36) Freundschaftlich verbunden ist er auch dem Leiter des christlichen Seminars und späteren Schulrat August Vogt,37) von dem er, wenn er seinen Schulärger abgela den hat, "nie ungetröstet weg(geht)."38) Trotz starker Beanspruchung durch Unterricht und Verwaltung - er ist mit einer kurzen Mittagspause von 7.30 bis 17.00 Uhr in der Schule - schreibt er neben anderem einen "Leitfaden bei dem Unterricht in der israelitischen Religion für Knaben und Mädchen," dem er einen "Wegweiser für den Lehrer" beifügt. Sie erscheinen 1830 im Druck und werden in den hessischen israelitischen Schulen obligatorisch eingeführt. An "Belobigungen" von Seiten der Regierung und des Vorsteheramtes fehlt es ihm nicht; ihren Höhepunkt erreichen sie, als ihm die philosophische Fakultät der Universität Marburg in Anerkennung seiner zahlreichen Publikationen 1830 die Ehrendoktorwürde verleiht.

Die Enttäuschung, die ihm die Entwicklung der "Schulanstalt" bereitet, wird aufgewogen durch den Erfolg des Seminars. Die "Lehrerbildungsanstalt", deren Zöglinge vorwiegend vom Lande kommen, erfüllt in den folgenden Jahren die an sie gestellten Erwartungen. Es ist Büdingers Verdienst, daß das Vorsteheramt 1837 berichten kann: "Diese Anstalt ist bis jetzt in unserer Konfession die einzige in Deutschland, vielleicht in Europa," die nach 12-jährigem Bestehen so viel Nutzen gestiftet hat, "daß die darauf verwendete Mühe und Kosten schon überschwenglich dadurch aufgewogen und alle und jede Sorgfalt und Opfer ... mehr als gerechtfertigt sind." Sie bildet Lehrer aus, die "vor allem zur Verbesserung der aufwachsenden Generation der ärmeren Kasse in Städten und Dörfern wirken können." 19 Absolventen amtieren bereits in Niederhessen, 5 in Oberhessen, 6 warten auf eine Anstellung.39) Die Zahlen entsprechen in etwa den Schulgrün- [Schulgründungen]

 

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