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Die Ansicht, der hessische Subsidienvertrag von 1776 habe schon damals den moralischen Maßstäben der Zeit widersprochen, ist unrichtig. Bis etwa 1775 sind solche Verträge allgemein als selbstverständlich angesehen worden. Das beste Beispiel bietet der in diesem Zusammenhang sicherlich unverdächtige Lessing. Er befürwortete in einem Brief, dat. Dresden 23.1.1776, an seine geliebte Eva König den Wunsch ihres Sohnes, zum Militär zu gehen und erbietet sich, sich für den Sohn in Braunschweig zu verwenden, wo man gerade im Begriff sei, 4000 Mann in englischen Sold zu geben. (Nach Amerika).

  

Kritische Stimmen tauchen erst nach Vertragsschluß auf und zwar zunächst als Folge einer geschickten, vor Entstellungen und Unwahrheiten nicht zurückscheuenden amerikanischen Propaganda, die durch Frankreich nach Europa vermittelt wird. Erst die französische Revolution bringt dann den endgültigen Meinungsumschwung in der Beurteilung des Subsidienwesens.

 

Hermann Bettenhäuser
Senatspräsident a.D.
Friedrich-Naumann-Str. 31
Kassel

   

Der Kasseler Oberbürgermeister Eichel beantwortete den Offenen Brief von Dr. Erich Hildebrand wie folgt:

Kassel, 06.09.85

  

Sehr geehrter Herr Hildebrand,

  

Ihren Brief bezüglich der Schautafel der Brüder-Grimm-Ausstellung, die auf den Subsidienvertrag des Landgrafen Friedrichs II. eingeht, habe ich erhalten. Sie weisen zu Recht darauf hin, daß solche Verträge durchaus nicht unüblich waren und auch eine gewisse volkswirtschaftliche Bedeutung hatten. Auch wenn es in der Tat trotz des Verbotes der Gewaltanwendung bei der Rekrutierung von Soldaten von Seiten der Werbeoffiziere Übergriffe gab, was Sie ja auch nicht bestreiten, ist es sicher problematisch, geschichtliche Vorgänge, wie es auf der von Ihnen kritisierten Tafel geschehen ist, mit unseren heutigen ethisch-moralischen Vor stellungen zu messen.

  

Ich bin sicher, daß die Mitarbeiter der Veranstaltungsgesellschaft "200 Jahre Brüder Grimm" Ihren kritischen Bemerkungen gegenüber sehr aufgeschlossen sind und nach Lösungsmöglichkeiten suchen werden, die von Ihnen kritisierte Schau tafel objektiver zu gestalten.

  

Alles in allem sind die Subsidienverträge sicher ein für Geschichtswissenschaftler interessantes und diskussionswürdiges Thema. Zu entscheiden, in welcher Form eine solche Diskussion geführt werden kann, ist allerdings meines Erachtens zu allererst Angelegenheit der interessierten Fachhistoriker selbst. Ich möchte Ihnen daher vorschlagen, Ihre Anregung bezüglich eines einzurichtenden Symposions zunächst im Kollegenkreis zu besprechen und sich dann auf der Grundlage einer breiteren Initiative direkt an die Landesregierung zu wenden.

  

Mit freundlichen Grüßen

gez.:Hans Eichel

   

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