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"Um den steigenden Bedarf an Soldaten zu decken, gingen die Häscher des Landgrafen mit brutalen 'Werbemethoden 1 vor. So preßten sie unter Abertausenden auch Johann Gottfried Seume zu dem Dienst. Der 'berüchtigte Menschenverkauf vor Blutgeld` prägte das Bild von Hessen und Kassel für sehr lange Zeit".

  

Dieser Text vermittelt den Besuchern der Ausstellung ein durch übertreibung und Einseitigkeit falsches Bild vom Subsidienvertrag des Landgrafen Friedrichs II. und der Beteiligung hessischer Truppen am amerikanischen Unabhängigkeitskrieg.

  

Damals wurden nicht geworbene, sondern im wesentlichen Truppen des stehenden Heeres nach Amerika entsandt. Werbung für deren Ergänzung fand erst während des Krieges und nur außerhalb des Landes statt. Wenn sich Übergriffe ereigneten, kann dies nur in begrenztem Ausmaß geschehen sein und entsprach nicht dem Willen und den Anordnungen des Landgrafen. Seume ist ein durchaus unzuverlässiger Zeuge.

   

Die Subsidienverträge deutscher und europäischer Fürsten müssen im Zusammenhang mit den politischen, militärischen und wirtschaftlichen Gegebenheiten der Zeit beurteilt werden. Wer heute noch die einst aus blindem Fürstenhaß entstandene Phrase vom "Menschenverkauf vor Blutgeld" verwendet, muß sie auch auf die unter den entsprechenden Bedingungen auf amerikanischer Seite kämpfenden deutschen Soldaten beziehen, die als Teil der französischen Armee zum kriegsentscheidenden amerikanischen Sieg im Oktober 1781 bei Yorktown beitrugen. Auch amerika nische Soldaten wurden damals auf die Bitte von Washington mit Geld Ludwigs XVI. bezahlt, weil sie ohne Soldzahlung zu meutern drohten und ohne Geld nicht kämpfen wollten. Der Verfasser der Schautafel muß bedenken, daß auch die hessischen Truppen, die zur Befreiung Napoleons 1815 ausrückten, aufgrund des letzten hessischen Subsidienvertrages mit britischem Geld besoldet wurden. Hessen-Cassel war eben wie andere deutsche Kleinstaaten im 17. und 18. Jahrhundert nicht in der Lage, Truppen aufzustellen und als stehendes Heer beizubehalten, ohne Subsidienverträge mit größeren oder doch reicheren Staaten abzuschließen, wenn diese Kriege führten.

   

Wer die Subsidienverträge in so einseitiger Weise brandmarkt, muß dabei berücksichtigen, daß bedeutende kulturelle und soziale Einrichtungen des hessischen Staates zu deren Zeit nicht möglich gewesen wären ohne sie. - Darunter die Gemäldegalerien und das Museum Fridericianum selbst, in dem die jetzige Ausstellung stattfindet. Das Museum wurde mitten im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg im Jahr 1779 als erster Museumsbau auf dem Kontinent errichtet und weitgehend der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

   

Es handelt sich nicht darum, die Subsidienverträge, zumal den Vertrag von 1776 als 31. von ihnen, als wünschenswerte oder gar vorbildliche Aktionen hinzustellen. Sie waren es ebensowenig, wie die meisten anderen Kriege jener Zeit, aber sie waren auch nicht unmoralischer als diese.

  

Die Schautafel erinnert in peinlicher Weise an den Film "Der Winter, der ein Sommer war", in dem hessische Geschichte nicht wie sie war, dargestellt wurde, sondern wie sie sich in der Phantasie der Verfasserin eines Trivialromans, sensationell aufgebauscht, abspielte.

 

Im Zusammenhang mit dem zitierten Schalentext sind einige Fragen zu stellen:

1.    Hat einer der verantwortlichen Mitarbeiter der Ausstellung diesen Text verfaßt?

2.    Waren alle Mitarbeiter mit ihm einverstanden?

3.    Wurde dieser Text von der Ausstellungsleitung bewußt verantwortet, als der hessische Ministerpräsident gebeten wurde, die Ausstellung zu eröffnen und ihr damit den Charakter einer von der Landesregierung mitgetragenen Veran staltung zu verleihen?

 

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